0035 - Die Vampirfalle
Wangen und der winzigen Nase. Schon allein für ihn mußte ich mich Kalurac zum Duell stellen. Das war ich Johnny schuldig.
»Genug geturtelt und geflüstert!« rief Kalurac. »Kommt hoch! Ich will nicht mehr lange warten, Sinclair.«
Ich schob Sheila zur Seite, legte meinen Arm um ihre Schultern.
So schritten wir die Stufen nach oben.
D. Kalurac hatte seine Haltung nicht verändert. Nach wie vor fühlte er sich als Sieger. Mir kam der Gedanke, ihn einfach die Treppe hinunterzustoßen, doch dann verwarf ich die Idee wieder. Die anderen Vampire in der Leichenhalle hätten mich und auch Sheila mit dem Jungen gepackt. Um sich vorstellen zu können, was danach geschah, dazu brauchte man keine allzu große Phantasie.
Kalurac ließ uns nicht passieren. Eine Hand streckte er vor.
Wir blieben stehen.
»Du siehst, Sinclair, ich habe mein Versprechen gehalten. Dir ist nichts geschehen, und auch dem Jungen nicht. Sie wird diese Leichenhalle ohne angegriffen zu werden verlassen können.«
»Das hatte ich vorausgesetzt«, erwiderte ich. »Gestattest du, daß ich sie zur Tür bringe?«
»Natürlich.«
Wir nahmen die restlichen Stufen.
»John!« flüsterte Sheila. »Mein Gott, was soll das alles noch werden?«
Ich schwieg und betrat mit Sheila Conolly die Halle. Die Vampire starrten uns an. In jedem Augenpaar las ich den Hunger. Sheila senkte den Blick.
»Du wirst sie niemals schaffen«, hauchte sie, »niemals.« Die Befürchtung hatte ich auch, hütete mich aber, sie Sheila gegenüber zuzugeben.
Nein, sie sollte sich noch einen Funken Hoffnung bewahren. Ich sah die ängstlichen Blicke der gefangenen Menschen und konnte ihnen einfach nicht ausweichen. Sie waren flehend auf mich gerichtet.
Diese Verzweifelten setzten all ihre Hoffnungen auf mich. Würde ich sie erfüllen können?
Erst einmal war für Sheilas Sicherheit gesorgt, alles andere würde sich finden. Immerhin hatte ich Zeit herausschinden können. Es war zwar kein großer Erfolg, aber eine Sprosse auf dem Weg der Hoffnungsleiter.
Die rote Rebecca sprang uns in den Weg. Sie streckte die Arme aus und spreizte dabei die Hände.
»Ich mache euch fertig, ich mache euch fertig!« keifte sie und fuchtelte dabei vor meinen Augen herum. Sheila bekam Angst und ging etwas zurück.
Der kleine Johnny in ihren Armen bewegte sich. Hoffentlich begann er nicht zu weinen.
Ich riskierte es und packte das rechte Handgelenk der Furie. Hart bog ich es herum. Die Untote folgte dem Druck und ging in die Knie.
»Laß uns in Ruhe!« fuhr ich sie an. Gleichzeitig ließ ich das Gelenk los, war aber bereit, sofort wieder einzugreifen.
Sie zog sich nicht zurück. Erst als ihr Herr und Meister sie anfuhr, ging sie wieder zu den anderen.
Ich drehte mich um. Kalurac stand schräg vor uns. »Ich dachte, du hättest ihr freies Geleit versprochen!«
»Sie kann gehen.« Bis zur Tür war es nicht mehr weit.
Jetzt, wo der Augenblick der Trennung nahe war, klammerte sich Sheila Conolly fest an mich.
»Bitte, John«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme, »willst du es dir nicht noch einmal überlegen? Du kannst doch nicht hierbleiben!«
»Ich muß, Sheila.«
»Aber es ist alles so hoffnungslos!«
»Nicht ganz!« zischte ich. »Wie meinst du das?«
»Geh jetzt!« befahl ich ihr, ohne näher darauf einzugehen, was ich gemeint hatte. Sie fiel mir noch einmal um den Hals und hauchte mir stammelnde Worte ins Ohr. Verdammt, mir war auch nicht gerade nach Lachen zumute. Warum ging sie denn nicht endlich? Das Würgen in meiner Kehle kroch höher. Auch ich hing am Leben, so wie jeder andere Mensch.
Dann löste sich Sheila von mir.
Ich öffnete die Tür. Warf einen Blick nach draußen in die Dunkelheit. Den letzten vielleicht. War der letzte Eindruck, den ich von der Welt mitnahm, ein mit Mondlicht übergossener Grabstein? Sheila ging.
In beiden Armen hielt sie ihren kleinen Sohn. Wenigstens er sollte eine Zukunft haben.
Einer der Vampir-Zwillinge riß mir den Türgriff aus der Hand und schmetterte die Tür zu. Dann schlich er leise lachend davon. Alle Vampire waren davon überzeugt, daß ihr Herr und Meister mich schaffte. Draculas Neffe war bisher noch nicht endgültig besiegt worden.
Ich drehte mich um. Mein Blick kreuzte sich mit dem des Vampirs. Etwa eine halbe Minute sprach niemand von uns ein Wort.
Dann aber begann der Blutsauger zu lachen. Es war ein gemeines, hintergründiges und teuflisches Lachen. »John Sinclair«, sagte er plötzlich. »Du bist ein noch größerer
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