0035 - Draculas Erbe
den goldgelben Wein.
Jara hatte den ganzen Tag am Südhang gearbeitet. Hier hatte die Ernte schon eingesetzt, für die frühen Weine, die man bald in den Dorfschenken kredenzen würde.
Nun ging es gegen Abend, und Jara radelte nach Hause.
Der Spätsommer war warm und sehr mild.
Kein Wunder also, dass Jara ihren Gelüsten nachgeben wollte.
Sie war eine gute Schwimmerin. Und sie kannte eine kleine, verschwiegene Bucht, unten am Lassa-See. Dort gab es das klarste und reinste Wasser, das zum Schwimmen einlud.
Jara trällerte ein Lied vor sich hin, in der Vorfreude auf das erfrischende Bad im Bergsee.
Es war nicht weit. Hier, von der Anhöhe, konnte sie schon die Stadt Bistritz erkennen. Noch einen halben Kilometer in nordwestlicher Richtung, dann würde der See unter ihr auftauchen.
Das Mädchen legte die kurze Strecke zurück. Dann fiel sie fast ohnmächtig von ihrem Fahrrad.
Dort, wo der Lassa-See heute Morgen noch silbern geglänzt hatte, war ein hässliches, lang gezogenes Loch.
Graubrauner Schlick und dunkler Schlamm.
Der Grund des Sees war alles, was von ihm noch vorhanden war.
Entsetzt und verständnislos stieg sie aus dem Sattel, stellte das Rad an den Rand der Böschung und sah hinab. Dann stellte sie die hölzerne Hucke mit dem Wein daneben.
Sie wollte der Sache nachgehen.
Also musste sie zum Grund des Sees hinuntersteigen, der sich in Nichts aufgelöst hatte.
Vorsichtig betrat sie den Pfad, der sie sonst immer zum Schwimmen in ihre kleine Bucht geführt hatte.
Der Abstieg dauerte nicht lange. In wenigen Minuten war das Ufer erreicht.
Unter ihr sah Jara die schmutzig braunen Überreste ihres geliebten Sees. Und sie sah noch etwas Seltsames.
Drüben, jenseits der Bucht, hatten sich ein paar Steinplatten aufgetürmt. Das war seltsam. Der See und alle seine Ufer waren vollkommen frei von Steinen gewesen. Und die seltsame Gruppierung der Steinplatten dort drüben musste von Menschenhand angelegt worden sein.
Kurz entschlossen machte sich Jara auf den Weg. Sie musste wissen, was diese Steinplatten zu bedeuten hatten.
Unmöglich, dass ein Erdrutsch sie dorthin gebracht hatte. Die Felsenwand, die bis dreißig Meter an das Ufer reichte, war vollkommen glatt geschliffen und ohne Risse. Auch der heftigste Regen könnte hier nichts herausspülen.
Bald hatte Jara das seltsame Gebilde erreicht. Ab und zu tauchte sie bis fast zu den Knien in den weichen Schlickboden des Sees ein.
Aber es gelang ihr, an die Steinplatten heranzukommen.
Da hörte sie hinter den aufgehäuften Steinen ein leises, schmatzendes Gurgeln.
Wasser! , schoss es ihr sofort durch den Kopf.
Sollte der See sich in den Bergschacht gestürzt haben?
Das Mädchen gab nicht auf. Jetzt wollte sie noch mehr wissen.
Sie stemmte sich gegen eine der Platten. Sie war nicht allzu schwer und gab bald nach.
Klatschend fiel sie um und blieb im glitschigen Boden des Sees stecken.
Dann die nächste Platte. Jara nahm alle Kräfte zusammen.
In wenigen Minuten hatte sie alle Steinplatten beseitigt. Und sie sah bestätigt, was sie geahnt und befürchtet hatte. Hinter den Steinen tat sich ein weiter Schacht auf, der ins Innere des Bergmassivs führte.
Hier und da hatten sich in kleinen Vertiefungen schmutzige Pfützen von Wasser gebildet.
Jara zögerte keinen Augenblick.
Sie erkannte, dass der Grund des Sees sich nach dieser Richtung neigte. Und auch der Schacht, der ins Innere führte, wie ein von Menschenhand geschaffener Tunnel, verlief leicht nach unten.
Es musste also jemanden geben, der den See nach unten ableiten wollte. Aber wer? Und wozu ein solches unverständliches Unterfangen?
Jara stieg in den Schacht.
Weit vorn sah Jara einen schwachen Lichtschein.
War das der Ausgang?
Sie kletterte, stieg und rutschte. Die Luft wurde immer kühler, bis Jara einen fast eisigen Hauch um sich spürte.
Sie schätzte die Länge des unterirdischen Stollens auf zwei Kilometer. Dann wurde der Lichtschein plötzlich größer.
Und in derselben Sekunde sah sie, dass dieser Lichtschein nicht vom Ausgang des Schachtes herrühren konnte!
Es war das Licht einer Fackel, das da vorn brannte!
Gleich darauf sah sie die Furcht erregende Gestalt.
Schnell drückte sich Jara in eine kleine Ausbuchtung in der Seite des Felsenschachtes. Sie durfte jetzt nicht gesehen werden! Sie ahnte etwas Grauenvolles, ohne es sich im Geringsten erklären zu können.
Wie konnte sie auch den Todesschrecken voraussehen, der sie bald befallen sollte!
Beim Anschmiegen an die
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