0042 - Der Totenbeschwörer
nichts anderes übrigbleiben. Mein Gott, was wird meine Frau dazu sagen?«
»Wir werden es nicht erzählen«, sagte ich.
»Sind Sie denn überhaupt berechtigt, ein Grab zu öffnen?« fragte mich der Mann.
»Ja, ich habe einen Sonderausweis von Scotland Yard. Eine Erlaubnis brauche ich also nicht.«
»Und wann sollen wir damit beginnen?«
»Am besten, wenn es dunkel wird. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Mr. Hanson. Wir fahren zu Ihnen nach Hause und bleiben dort bis zur Dunkelheit. Das wird nicht lange dauern. Sagen Sie Ihrer Frau und Ihren Kindern nichts.«
»Nein, nein, Elisa hat sowieso noch hier in den Gasthaus zu tun. Sie hilft ein wenig und kommt erst gegen Abend zurück.«
Ich lächelte. »Dann wäre ja alles klar.«
Lester Hanson stand auf. »Ich werde mich nur von den anderen verabschieden.« Er schritt wie ein alter, gramgebeugter Mann davon. Zahlreiche Augenpaare schauten ihm nach. Man hatte uns bei dem Gespräch mit Hanson beobachtet und die Ohren gespitzt. Doch ich hatte dafür gesorgt, daß die Neugierigen nichts mitbekamen.
Wir wollten zahlen. Man sagte uns, daß die Witwe Thormer dies bereits erledigt habe.
Trotzdem gab ich der Bedienung ein Trinkgeld. Das Mädchen machte sogar noch einen Knicks.
»Wie siehst du die Sache?« fragte mich mein Freund.
Ich drückte die Zigarette aus. »Wenn wir es wirklich mit dem Phänomen der Nachzehrer oder Nachzieher zu tun haben, dann wollen wir nur hoffen, daß es ein einzelner ist.«
»Willst du ihn töten?«
»Ja, wie einen Vampir.«
Bill Conolly wischte sich über die Stirn. »Ich hoffe für Lester Hanson, daß seine Tochter nicht zu diesen Geschöpfen gehört. Ich glaube, er würde es nicht überstehen.«
»Man weiß nie.«
Hanson kam zurück. Seine Frau begleitete ihn. Sie war eine schlanke Person mit einem lieben Gesicht und gütigen Augen. Ihre schmale Hand wirkte zerbrechlich wie Glas.
»Das sind die beiden Herren, von denen ich dir berichtet habe, Elisa.«
Wir erhoben uns.
Lester Hanson erklärte: »Meine Frau ist zwar fast fertig, aber sie will sich noch um die Witwe kümmern. Sie kommt nach. Jemand aus dem Ort fährt sie.«
»Vielen Dank, Madam, daß Sie uns die Gastfreundschaft gewähren«, sagte ich.
»Aber das ist selbstverständlich, wenn Sie etwas mit meinem Mann zu besprechen haben. Sie entschuldigen mich jetzt.«
Elisa Hanson verschwand.
»Ich habe ihr natürlich nichts erzählt«, sagte Lester. »Sie wäre sonst in Ohnmacht gefallen.« Lester hob die Schultern und machte ein sorgenvolles Gesicht.
Bill schlug auf die Stuhllehne. »Fahren wir?«
»Okay.« Wir nahmen unsere Mäntel und verließen das alte Gasthaus.
***
Lester Hanson blieb vor dem Bentley stehen. Er trug einen langen grauen Wintermantel und hatte die Hände in den Taschen vergraben. Wie eine Katze um den heißen Brei, so schlich er um den Silbergrauen herum, dessen Fahrertür ich gerade aufschloß.
»Von solch einem Wagen träume ich«, kommentierte er. »Und das wird wohl immer ein Traum bleiben.«
Bill zeigte auf mich. »Keine Angst, Mr. Hanson, bei Oberinspektor Sinclair läuft der Wagen auch mehr auf Wechsel als auf seinen eigenen vier Rädern.«
Beim Einsteigen sagte ich: »Du mußt es ja wissen.«
Bill nahm neben mir Platz, und Lester Hanson setzte sich in den Fond. Ich rangierte den Wagen aus der Parklücke und schaltete Gebläse und Heizung auf die höchste Stufe, da es ziemlich kalt geworden war.
»Wo muß ich herfahren?«
»In Richtung Friedhof, Oberinspektor. Sie kennen den Weg?«
Ich nickte.
Einige Leute schauten uns nach, als wir durch das Dorf fuhren. Ich bog dann ab und rollte auf die Steinbrücke zu, die den schmalen Bach überspannte.
Obwohl wir erst frühen Nachmittag hatten, sank die Sonne bereits tiefer. Der Himmel war fast völlig klar. Wir würden in der Nacht Frost bekommen, das war jetzt schon sicher. Die Hänge der Black Mountains waren mit einer dicken Schneeschicht bedeckt, ebenso die Zweige und Äste der Tannen.
Die Wegdecke war zum Teil aufgerissen. Frosteinbrüche trugen dafür die Verantwortung.
Wir rollten auf das Hauptportal des Friedhofs zu, als Lester Hanson mich anwies, rechts ranzufahren. »Wir müssen um das Gelände herum. Das alte Haus, das Sie dort hinten sehen, darin wohne ich.«
»Ziemlich dicht am Friedhof«, meinte Bill.
»Ja, und bald wird es noch dichter. Die wollen den Totenacker nämlich erweitern.«
»Sterben hier so viele?« fragte Bill.
»Das nicht, aber die beiden Nachbarorte haben keinen
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