0042 - Der Totenbeschwörer
kannten Myxin sehr gut, hatten ein gefährliches Abenteuer erlebt. Suko und ich waren schuld daran, daß Myxin lebte. Wir beide hatten ihn nach zehntausendjährigem Schlaf auf dem Meeresgrund erweckt. [2]
Nur deshalb, weil er, der Legende nach, ein Gegner des Schwarzen Todes sein sollte. Wir wollten einen Verbündeten gewinnen, doch Myxins Erweckung gestaltete sich als Lattenschuß. Er haßte zwar den Schwarzen Tod und hatte auch schon vor Urzeiten in Atlantis um die Vorherrschaft mit ihm gekämpft, doch Myxin war ein Dämon. Und Dämonen sind schlecht. Er stand längst nicht auf unserer Seite, wenn er uns auch hin und wieder einen Tip gegeben hatte, um uns auf den Schwarzen Tod zu hetzen. Er hoffte, daß wir ihn für ihn erledigten, daß wir uns im gegenseitigen Kampf zerrieben, damit er, Myxin, ungestört die Macht übernehmen konnte.
Die Rechnung war bisher nicht aufgegangen. Lange hatten wir nichts von Myxin gehört. Doch nun sagte dieses Mädchen seinen Namen. Und damit war klar, daß der Magier wieder in das dämonische Ränkespiel mit eingegriffen hatte.
»Hast du ihn gesehen?« fragte ich.
Jill Hanson schaute mich aus großen Augen an. »Ja, ich habe sogar mit ihm gesprochen.«
»Was hat er gesagt?«
»Ich soll immer das tun, was mein Großvater von mir verlangt.«
»Und was ist das?«
Ein hintergründiges Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie zeigte auf die Schale mit dem Blut, hob dann die knochigen Schultern und stand auf.
Ich trat zurück.
Jill schaute uns an, ebenso ihren Vater. Doch ihr Blick glitt durch ihn hindurch.
»Jill«, flüsterte Lester Hanson, »erkennst du mich denn nicht? Jill, sag doch was. Ich bin dein Vater.« Er ging vor, wollte seine Tochter in die Arme nehmen, doch ich ließ es gar nicht soweit kommen, sondern hielt ihn zurück. Ich ahnte, daß Jill etwas vorhatte und wir sie jetzt nicht stören durften.
»Gehen Sie zurück!« zischte ich Lester Hanson zu.
Er gehorchte.
Jill aber ging zum Schrank. Sie zögerte noch ein wenig.
Ich half ihr. »Tu das, was man von dir verlangt, Jill. Du darfst die anderen nicht enttäuschen. Aber vor allen Dingen nicht den großen Meister.«
Meine Worte waren genau richtig gewählt. Jill trat an einen hohen Schrank und öffnete die Tür.
»Was will sie da?« hörte ich Lester leise fragen.
Seine Tochter zog die Tür auf. Die Hand verschwand im Innern des Schrankes.
Dann zuckte sie blitzschnell wieder hervor. Jill drehte sich auf der Stelle. Sie streckte die Arme aus. Ihre rechte Faust umschloß den Griff eines Messers.
»Er hat gesagt, daß ich damit alle Feinde töten soll«, flüsterte sie. »Und dich zuerst!«
Bei ihren letzten Worten wies die Klinge auf meine Brust!
***
Trotz der gefährlichen Situation blieb ich stocksteif stehen. Für zwei Sekunden schaute ich Jill in die Augen, und ich sah darin kein menschliches Gefühl mehr.
Das Messer sah verdammt gefährlich aus. Es hatte einen starken, etwas klobigen Griff und eine breite Klinge. Wie mir schien, war sie beidseitig geschliffen und so scharf, daß sie sogar ein Stahlseil durchgetrennt hätte.
Ich mußte aufpassen.
Lester Hanson unterbrach das Schweigen. »Du bist wahnsinnig, Jill!« schrie er. »Leg sofort das Messer weg! Mach schon – oder ich werde dich mit…«
»Halten Sie den Mund!« fuhr Bill Conolly den Mann an. »Sie wird nicht auf Sie hören. Sie gehorcht jetzt einem anderen.«
Aber Lester Hanson wollte keine Vernunft annehmen. »Sie ist meine Tochter! Sie ist…« Er sprach nicht mehr weiter, sondern stürzte sich auf sie. Er hatte die Arme erhoben, die Hände zu Fäusten geballt. Sein Gesicht war schweißbedeckt und hochrot angelaufen. Im Innern dieses Mannes mußte eine Hölle toben.
Jill ruckte herum. Plötzlich war die Messerspitze nicht mehr auf mich gerichtet, sondern auf Lester Hanson.
Eine rasche Bewegung nur – und…
Da griff ich ein.
Mein rechtes Bein schnellte vor. Lester Hanson übersah es, stolperte und fiel. Dumpf krachte er zu Boden. Mit der Schulter warf er noch einen Stuhl um. Aber das Messer verfehlte ihn. Die Klinge wischte über ihn hinweg.
Jill stieß einen Wutschrei aus. Ich hatte sie von einem Mord abgehalten, dafür wollte sie sich an mir rächen. Mit aller Gewalt.
Sie drehte das Messer, wollte von oben nach unten zustechen und holte aus.
Ich steppte zur Seite.
Dicht an meiner rechten Schulter fegte die Klinge vorbei, und sofort sprang Jill Hanson wieder zurück.
Vom Boden her beobachtete ihr Vater aus weit aufgerissenen
Weitere Kostenlose Bücher