0049 - Ich und der Teufel MAM
Professor O'Gar, auf die wir gewartet hatten, immer noch. Dem nur in der Welt seiner Forschung lebenden Professor Greet fiel es nicht auf — oder es wollte ihm nicht auffallen, daß der Arzt stockbetrunken war.
Ich staunte, wie sehr sich Fox noch an der Kandare hatte. Er saß kerzengerade vor seinem Gedeck, handhabte das Besteck, als befände er sich im Speisesaal eines Luxusdampfers — aber zu sprechen vermochte er nicht mehr.
Auf meine Frage, wo sich Mrs. Fox befände, hob er nicht einmal den Kopf. Vermutlich hatte er mich gar nicht gehört.
Genauso steif saß Maud O'Gar auf ihrem Platz. Auch sie beschäftigte sich nur mit Essen und Trinken, ohne uns eines Wortes zu würdigen.
Während der Professor sich verpflichtet glaubte, mich zu unterhalten und damit sich selbst einen Gefallen tat, von dem Kalendersystem der Mayas zu sprechen, flüsterte mir Larry Jopling zu: »Dicke Luft heute abend! Das wird einen schönen Krach geben, wenn die beiden auftauchen!«
Gemeint waren Sol Fox und Professor O'Gar.
»Sie werden staunen, Mr. Cotton«, fuhr der Professor fort, »auf welche Weise die Mayas das Zahlen- und damit auch das Kalendersystem festgelegt hatten. Ihr ursprüngliches Jahr von 260 Tagen, das in 13 Wochen zu 20 Tagen zerfiel, übernahmen sie von den Tolteken. Interessant, nicht wahr?«
»Außerordentlich interessant«, bestätigte ich, dabei dachte ich darüber nach, was die beiden noch so spät im Urwald zu suchen hatten.
»Aber«, dozierte der Professor weiter, »sie verbesserten den von den Tolteken übernommenen Kalender wesentlich und rechneten sowohl nach Sonnenais auch nach Mondjahren. So kamen sie schließlich mit 13 Monaten zu 28 Tagen fast an die heutige Kalenderrechnung heran. Die berühmte im Rockefeller-Museum befindliche Dresdener Mayahandschrift enthält eine Zahlenreihe, die den Zeitraum von 11 948 Tagen in 198 Monaten zu 29 und 207 Monate zu 30 Tagen plus 6 Schalttage zerlegt. Daraus läßt sich die genaue Dauer eines Monats auf…«
Der Professor unterbrach und blickte unwillig nach dem mit Gaze bespannten Fenster. Auch wir warfen die Köpfe herum.
Ein Schuß war gefallen… ganz in der Nähe…
Der Leutnant und ich waren die ersten. Wir sprangen auf die Veranda. In tropischen Gegenden dauert die Dämmerung nur wenige Minuten, und wir sahen mit Magnesiumfackeln ausgerüstete Indios an der Stelle, wo die Schneise auf den Lagerplatz mündete, unschlüssig herumstehen.
Und mitten unter ihnen stand Sol Fox neben einer am Boden liegenden Gesalt.
Ich nahm mir gar nicht die Zeit, erst zur Treppe zurückzukehren, wie es der Leutnant tat. Ich machte eine Flanke übers Geländer, rannte auf die Stelle zu und warf mich neben dem am Boden Liegenden auf die Knie.
Es war Steven O'Gar.
Ich hörte das Keuchen aus seinem Munde, das dem zu erwartenden Blutsturz voranging… die Kugel mußte den linken Lungenflügel durchbohrt haben, wie ich am Einschuß feststellte. Vermutlich hatte sie auch das Herz gestreift. (Die spätere ärztliche Untersuchung bestätigte meine Schnelldiagnose.)
Ich bettete seinen Kopf auf meinem Schoß und brüllte nach einer Bahre.
»Uxmal…« röchelte er. Der Professor streckte sich und starb in meinen Armen. Sein letztes Wort blieb zurück als eine Botschaft aus dem Urwald von Yukatan.
In solchen Situationen spielt sich das Geschehen in einem kurzen Zeitraum ab, die Gedanken jagen sich, das Auge sucht alle Eindrücke festzuhalten.
Leutnant de Menezes und Doktor Jopling rannten zur Kranken-Baracke, die abseits von den Bungalows lag. Sie wollten eine Bahre holen. Im Licht der elektrischen Bogenlampen, die das Lager während der Nacht beleuchteten, wirkten die beiden komisch. Der kleine, drahtige Mexikaner mußte neben dem Riesen hergaloppieren, um mit ihm Schritt zu halten.
Die fackeltragenden Indios waren entsetzt davongelaufen, nur Sol Fox stand neben mir und dem Toten. Noch auf der Stelle wie zur Zeit, als der Schuß krachte.
Sie stand da wie angewurzelt, wie Lots Weib, zur Salzsäule erstarrt mit weit aufgerissenen Augen, totenbleich, am ganzen Leibe zitternd, wie mir schien, mit der Schuld dieses Mordes beladen, obgleich sie den Schuß gar nicht abgefeuert haben konnte.
Endlich erschienen auch. Professor Greet. ‘Mrs. O'Gar und der Arzt. Gleichzeitig trafen die beiden mit der Bahre . ein. Doktor Jopling führte die Witwe in den Klub zurück.
Zwei Sanitäts-Indios trugen den Toten über den Platz zur Kranken-Baracke, Doktor Fox folgte ihnen. Er hatte den Toten
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