005 - Die Melodie des Todes
Leben einen Geldschrank aufgebrochen habe. Ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich nie auch nur einen einzigen Gegenstand gestohlen habe von …« Er brach kurz ab. Edith griff gierig nach dem Strohhalm, den er ihr bot.
»Oh, ist es wirklich so, ja?« sagte sie eifrig und legte ihre Hände auf seine Brust. »Ist es wirklich so? Ich weiß, es ist blöde, verrückt und schrecklich ungerecht - gemein von mir. Alles, was du willst - einen so scheußlichen Verdacht gegen dich zu haben, aber es schien so … Nicht wahr, es konnte so scheinen?« »Es konnte so scheinen«, stimmte er ihr ernst bei.
»Willst du mir nicht sagen, wie es in deinen Besitz kam?« drang sie in ihn.
»Ich sage dir, ich habe es gefunden - das ist die Wahrheit. Ich hatte nicht die Absicht -« Wieder unterbrach er sich. »Es war - ich habe es auf der Straße, auf der Landstraße aufgehoben.«
»Aber warst du nicht furchtbar überrascht, es zu finden, und hast du es nicht der Polizei gemeldet?«
Er schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er, »ich war nicht überrascht und habe es nicht der Polizei gemeldet. Ich hatte die Absicht, es abzuliefern, weil schließlich Juwelen keinen Wert für mich haben, nicht wahr?«
»Ich verstehe dich nicht recht, Gilbert.« Sie schüttelte etwas bestürzt den Kopf. »Es hat doch nichts einen Wert, was einem nicht gehört, nicht wahr?«
»Das kommt darauf an«, erwiderte er gelassen. »Aber in diesem besonderen Fall kann ich dir versichern, daß ich den Schmuck heute abend nach Hause gebracht habe in der Absicht, ihn ans Polizeipräsidium zu senden. Du magst es glauben oder nicht. Das war auch der Grund, weshalb ich es so seltsam fand, als ihr beim Essen über den Verlust eines Halsschmuckes deiner Mutter spracht, nachdem ich einen gefunden hatte.«
Sie schauten einander an; er hielt das Halsband wie abwägend auf seiner Handfläche und schüttelte es mechanisch.
»Was sollen wir nun damit machen?« fragte sie. »Ich weiß mir kaum einen Rat.« Zögernd fuhr sie fort: »Ich schlage vor, du folgst deiner Absicht und schickst es an die Polizei.«
»Oh!« fiel ihr dann mit einer leisen Regung von Unbehagen ein. »Ich habe - habe mir eigentlich dreihundert Pfund zu Unrecht angeeignet.«
»Dreihundert Pfund?« Er betrachtete das Schmuckstück. »Es ist mehr als dreihundert Pfund wert.«
In einigen Worten erklärte sie ihm, wie der Schmuck verloren und wie es zugegangen war, daß er bei Warrells hinterlegt wurde.
»Es freut mich zu hören, daß deine Mutter die Schuld trifft. Ich fürchtete schon, du hättest dich mit Spekulationen abgegeben.«
»Wäre dir das unangenehm?« fragte sie rasch.
»Ja, etwas«, erwiderte er; »es genügt, wenn ein Teil der Familie spekuliert.«
»Spekulierst du sehr viel, Gilbert?« fragte sie ernsthaft.
»Ein bißchen«, entgegnete er.
»Nicht nur ein bißchen«, verbesserte sie ihn. »Börsengeschäfte sind Spekulationen.«
»Ich bin bemüht, Geld für dich zu erwerben«, erklärte er schroff.
Es war das Härteste, was er in der kurzen Zeit ihrer Ehe zu ihr gesagt hatte, und er sah, daß er sie schwer verletzt hatte.
»Verzeih mir«, bat er sofort. »Ich weiß, daß ich roh war - es lag nicht in meiner Absicht, dich zu kränken. Willst du den Schmuck an dich nehmen, oder soll ich es tun?«
»Ich werde ihn nehmen«, sagte sie. »Aber willst du nicht der Polizei mitteilen, wo du ihn gefunden hast? Möglicherweise findet sie in der Nähe noch Beute von anderen Räubereien.«
»Ich bin nicht dafür«, entgegnete er mit einem leichten Lächeln. »Ich habe keine Lust, mir die Wut dieser berüchtigten Bande auf den Hals zu laden. Ich weiß ohnehin zur Genüge, daß sie zu den gefährlichsten und rücksichtslosesten gehört, die es überhaupt gibt. Aber es ist beinahe halb elf Uhr«, sagte er; »ich muß schleunigst fort.«
Er hielt ihr seine Hand hin. Sie behielt sie einen Augenblick länger in der ihren, als es sonst ihre Art war.
»Lebe wohl«, sagte sie. »Viel Glück, was auch dein Geschäft sein mag.«
»Ich danke dir«, entgegnete er.
Langsam ging sie zu ihren Gästen zurück. Sie war aus der Sache nicht viel schlauer geworden. Sie glaubte ihrem Mann, und doch lag in seinen Antworten eine gewisse Zurückhaltung, die ihr ebenso deutlich wie seine sorgsam abgewogenen Worte verrieten, daß er noch viel mehr hätte sagen können, wenn er gewollt hätte.
Sie zweifelte nicht an seinem Wort, daß er nie etwas gestohlen hatte von - von wem hatte er sagen wollen? Sie war
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