005 - Die Melodie des Todes
wünsche nur, daß du glücklich bist, weiter nichts«, erwiderte er.
Seine Stimme hatte den gleichen harten metallischen Klang, den sie schon früher gehört hatte.
Sie errötete leicht. Ihre Worte hatten sie große Überwindung gekostet, und er hatte sie zurückgewiesen.
Sie verließ ihn und sah ihn erst beim Frühstück wieder. Nachdem sie einige Worte der Begrüßung gewechselt hatten, widmeten sie beide ihre Aufmerksamkeit den Zeitungen. Edith las die ihrige schweigend, las die eine Spalte, die soviel für sie bedeutete, zweimal von oben bis unten, dann legte sie die Zeitung auf den Tisch.
»Ich lese eben«, sagte sie, »daß Einbrecher gestern nacht die Nordprovinzbank ausgeplündert haben.«
»Ich habe es auch gelesen«, bestätigte er, ohne die Augen von der Zeitung zu erheben.
»Und daß einer von ihnen von dem bewaffneten Bankwächter angeschossen wurde.«
»Auch das habe ich gelesen«, sagte ihr Gatte.
»Angeschossen«, wiederholte sie und blickte auf seinen verbundenen Arm.
Er nickte.
»Ich glaube, meine Zeitung ist eine spätere Ausgabe als die deine«, fuhr er liebenswürdig fort. »Der angeschossene Mann starb an seiner Wunde. Man fand seine Leiche in einem Taxi. Sein Name steht nicht da, aber ich weiß zufällig, daß es ein recht netter, stattlicher Herr namens Persh war. Armer Kerl«, sagte er, »es war eine Art ausgleichender Gerechtigkeit.«
»Wieso?« fragte sie.
»Er hat dies auf dem Gewissen«, erklärte Gilbert Standerton und deutete mit grimmigem Lächeln auf seinen Arm.
11
An dem Abend, da Gilbert Standertons kleine Einladung stattfand, kam der schwarzbärtige Chauffeur, der seinerzeit in dem Haus in der Nähe der Charing Cross Street vorgesprochen hatte, wieder an der Tür von Nr. 43 vorgefahren und wurde pflichtgemäß vom diensthabenden Detektiv beobachtet. Er ging in das Haus, blieb fünf Minuten oben und kam wieder heraus, worauf er ohne Fahrgast weiterfuhr.
Zehn Minuten später statteten auf die Meldung des Detektivs hin drei Kriminalkommissare von Scotland Yard dem Haus einen Besuch ab, und das Geheimnis des Chauffeurs wurde ein für allemal aufgeklärt.
Denn an der Stelle von Georg Wallis entdeckten sie den gleichen schwarzbärtigen Chauffeur, der behaglich im Wohnzimmer des oberen Stockes saß und in aller Gemütsruhe einen Roman las.
»Sehr einfache Sache«, sagte Inspektor Golden, »der Chauffeur kommt herauf, während George Wallis, genauso hergerichtet wie er, drinnen auf ihn wartet. Im Augenblick, wo er die Tür hinter sich geschlossen hat, geht Wallis hinaus zum Wagen und fährt davon. Ihr auf eurem Posten habt geglaubt, es sei der gleiche Chauffeur, der zurückkehre.«
Er blickte auf den Verhafteten.
»Nun, was haben Sie mit mir vor?« fragte der bärtige Mann.
»Ich fürchte, wir können nichts mit Ihnen anfangen«, sagte Golden bedauernd. »Sind Sie im Besitz eines Führerscheins?«
»Darauf können Sie Gift nehmen«, antwortete der Chauffeur lustig und zog ihn hervor.
»Ich kann Sie festnehmen, weil Sie Verbrechern Vorschub leisten.«
»Eine Beschuldigung, die schwer zu beweisen sein wird«, sagte der Bärtige. »Noch schwieriger, einen Schuldspruch dafür zu erlangen, und möglicherweise berauben Sie sich damit nur der Gelegenheit, George schließlich zu erwischen.«
»Das ist richtig«, meinte Golden; »jedenfalls werde ich mich nach Ihrem Auto umsehen und kann wenigstens George einlochen, weil er ohne Führerschein fährt.«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Sie zu enttäuschen«, sagte er mit spöttischem Bedauern, »aber George hat ebenfalls einen Führerschein.«
»Zum Teufel damit«, entgegnete der verblüffte Inspektor.
»Ja, George ist schrecklich gerissen.«
»Machen Sie keine Geschichten, Smith«, sagte der Detektiv freundlich. »Was für ein Spiel wird da getrieben? Welche Rolle haben Sie dabei?«
»Wobei?« fragte der Mann anscheinend verdutzt.
Golden gab es auf, etwas aus ihm herauszubekommen. Er wußte, daß Wallis seine Helfershelfer mit besonderer Sorgfalt ausgesucht hatte.
»Auf jeden Fall werde ich mich hinter George hermachen«, sagte er. »Sie wollen mich wahrscheinlich mit dem Führerschein nur zum besten halten.«
»Tun Sie das«, erwiderte der Chauffeur ernsthaft. »Sie werden ihn am Taxihalteplatz Haymarket heute abend gegen halb elf Uhr finden.«
»Ja, ich weiß«, knurrte der Detektiv grimmig.
Er hatte keinen Haftbefehl und keinen sonstigen Auftrag als den der Haussuchung, der ihm das Recht gab, in
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