005 - Festung des Blutes
Jacobo und seine finsteren Götter lobpriesen.
Jacobo erreichte den Altar. Er hob die Arme und wirkte in dieser Geste tatsächlich wie ein dunkler Gott.
»Wir haben uns versammelt«, ertönte seine etwas zu hohe, misstönende Stimme, »um einen Verräter aus unserer Mitte zu bestrafen!«
Die Menge ächzte entsetzt, und Daman erlitt beinahe einen Herzinfarkt. War er entdeckt? Hatte Jacobo etwa seine Gedanken gelesen?
»Ihr sollt entscheiden, welches Schicksal dieser Lump erleidet, der es verstanden hat, uns beim letzten und vorletzten Raubzug hinters Licht zu führen.«
Daman atmete auf. Er konnte nicht gemeint sein,denn er hatte an beiden Raubzügen nicht teilgenommen. Alle schauten einander an. Daman hatte das Gefühl, dass sie ihn besonders argwöhnisch in Augenschein nahmen. Er wagte kaum zu atmen.
»Der Name des Verräters«, fuhr Jacobo genüsslich fort, »ist… Nummer 28!«
Nummer 28, ein Weib, stand in unmittelbarer Nähe Damans und stieß sogleich einen erschrockenen Schrei aus. Sie wich zurück, doch zwei andere waren sofort bei ihr und packten ihre Arme.
»Ich bin kein Verräter!«, rief Nummer 28. Die hohen Mauern des Blutsaals warfen ihre Stimme dreifach zurück. Sie wehrte sich gegen den Griff ihrer Häscher, aber man hielt sie eisern fest.
Jacobo trat an den Rand des Altarfundaments. Er sprang herab und trat auf Nummer 28 zu. »Du streitest es ab?«
Die Blutsaugerin knickte ein, als hätte ihr jemand in die Kniekehlen getreten. »Jemand verbreitet Lügen über mich!«, rief sie schrill und ängstlich.
»Schweig!« Jacobo machte eine herrische Armbewegung.
Die anderen bildeten einen Kreis um Nummer 28. Daman blieb nichts anderes übrig, als sich der Meute anzuschließen.
»Die Zeugen treten vor!«, rief Jacobo. Nummer 15 und Nummer 12 kamen nach vorn.
»Sprecht!«, fauchte Jacobo und deutete auf Nummer 28, deren Augen unter der Kopfmaske nun wie irre flackerten.
»Berichtet, was ihr gesehen habt!«
»Als ich den Gasthof mit meiner Beute verließ«, sagte Nummer 15 mit der Stimme eines Denunzianten, der auf sein schäbiges Werk auch noch stolz ist, »habe ich gesehen, dass Nummer 28 sich über das Weib des Gastwirts beugte und es aussaugte.«
»Und ich«, meldete sich nun Nummer 12, »habe sie das Gleiche mit dem Weib eines Jägers tun sehen in der Nacht davor!«
Daman schluckte. Welch ungeheurer Frevel! Niemand durfte Menschen töten, um sich allein an ihnen gütlich zu tun! Das Blut der Menschen gehörte der Sippe!
Die Reaktion war dementsprechend. Alle schrien empört auf. Nummer 28, die den Berichten der Zeugen mit weit aufgerissenen Augen gelauscht hatte, brach zusammen und schrie: »Ich war im Blutrausch! Ich war im Blutrausch! Ich konnte nicht anders!«
Das Urteil stand sofort fest. Nummer 28 hatte die Sippe hintergangen, Sie hatte sich allein am Blut gemästet und zwei Menschen zu Tode gebracht. Gier und Maßlosigkeit waren eine Gefahr für den Fortbestand der Sippe.
Sie musste gesaugt werden. So verlangte es die Tradition.
***
Als die Nosfera ihre Masken ablegen und sich über ihre Schwester hermachen, durchrieselte Matt ein kalter Schauer. Zum ersten Mal sah er die Blutsauger ohne ihre Masken. Solch schrecklich bleiche, halb verweste Fratzen hatte er nicht erwartet. So ähnlich hatte dieser tiefgefrorene Jäger ausgesehen, den man Anfang der neunziger Jahre in den Ötztaler Alpen gefunden hatte.
Riva, die zitternd hinter Matt stand, konnte daszuckende Bündel zum Glück nicht sehen, das sich unter den Bissen der Blutsauger auf dem Altar wand. Gholans Gesicht hatte dagegen eine leicht grünliche Färbung angenommen. Er war darum bemüht, sich nicht an Ort und Stelle zu übergeben.
Matt beobachtete die eingefallenen Visagen der Gestalten, die ihr Opfer nach allen Regeln der Kunst aussaugten. Er hatte zwar ihre Diskussion in der knarzenden Sprache der Nosfera nicht verstanden, doch diese Nummer 28 hatte sich wohl irgendetwas zu Schulden kommen lassen, auf das die Todesstrafe stand. Auch Matt war speiübel, doch sein Geist war wach, und er sagte sich, dass dies die Gelegenheit war, das Weite zu suchen.
Gleichzeitig fragte er sich voller Angst, ob Aruula das gleiche Schicksal drohte oder ob es ihr etwa schon zuteil geworden war. Doch es war wohl am besten, wenn er diesen Gedanken erst einmal beiseite schob, um nicht vollends zu verzweifeln.
Er gab dem grüngesichtigen Gholan, der am ganzen Leibe zitterte, ein Zeichen. Gholan nickte schwach. Matt warf Riva einen fragenden
Weitere Kostenlose Bücher