0050 - Der Gelbe Satan
schwang wie von Geisterhand bewegt wieder nach oben, und selbst Kai-tak gelang es nicht, durch einen verzweifelten Sprung den Rand zu erreichen.
Sie waren Gefangene.
»Mist!« fluchte Suko und ballte die Hand.
Li-Shen und Kai-tak blieben gelassen.
»Am meisten ärgert es mich, daß uns die Frau hereingelegt hat«, schimpfte Suko. »Wir waren zu vertrauensselig. Das wird mir beim nächstenmal nicht passieren.«
»Falls es ein nächstes Mal gibt«, erwiderte Kai-tak trocken.
»Wie meinst du das?«
»Schau mal da!«
Kai-tak deutete auf die Wände des Verlieses, und Suko bekam große Augen.
Die breiteren Seitenwände ihres Gefängnisses rückten langsam zusammen. Sie bewegten sich aufeinander zu. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Wände sie zerquetschten…
***
Mir ging es mehr als mies. Und man hatte mich gefesselt.
Aber wie!
Unter mir rauschte Wasser. Abwasser. Demnach befand ich mich in der Kanalisation der Riesenstadt am Südchinesischen Meer.
Ich hing über dem Kanal.
Man hatte mich an einen Pfahl gefesselt, der an zwei gegenüberliegenden Gangwänden in den dafür vorgesehenen Halterungen feststeckte. Während Hände und Füße mit Hanfstricken am Pfahl zusammengebunden waren, hing mein Unterkörper durch. Etwa drei Handbreiten tiefer schäumte die schmutzige Brühe vorbei. Hin und wieder spritzte sie hoch und benetzte meine Kleidung.
Auf Bildern hatte ich mal gesehen, wie Negerstämme ihre Gefangenen abführten. Sie befanden sich auch in der gleichen hängenden Lage wie ich.
Es stank erbärmlich hier unten. Hongkong besaß zwar eine Kanalisation, aber an die waren längst nicht alle Stadtteile angeschlossen. In den Armenvierteln gab es so etwas nicht. Dort warfen die Menschen ihren Abfall und Unrat kurzerhand auf die Straße oder kippten ihn ins Meer.
Es war nicht völlig dunkel, denn in unregelmäßigen Abständen brannten Lampen in diesem unterirdischen Labyrinth. Doch die Lichthöfe wurden rasch von der Dunkelheit verschluckt.
Naß glänzten die Steinwände. Über mir wölbte sich eine Decke. Sie zeigte eine Rundung, von der es ununterbrochen tropfte. Ich lag dabei so ungünstig, daß das Wasser meine Kleidung an der Schulter völlig durchnäßte und zu einem stinkenden Lappen machte.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich hierhergekommen war. Erinnern konnte ich mich noch an das Taxi und daran, daß ich plötzlich das zischende Geräusch hörte. Danach war Sendepause.
Und jetzt hing ich hier in dieser unmöglichen Lage. Nicht nur im Kopf hatte ich ein dumpfes Gefühl – das waren die Folgeerscheinungen des Gases –, nein, auch meine Beine und Arme waren langsam eingeschlafen. Die Blutzirkulation wurde drastisch reduziert. Ich versuchte, die Finger und die Zehen zu bewegen, doch die verdammten Fesseln saßen so eng, daß mir dies kaum möglich war.
Ich dachte an Suko.
Sicher würde er sich die größten Sorgen um mich machen, nur, wo sollte er mit seiner Suche beginnen? Er konnte nicht ganz Hongkong auf den Kopf stellen, das war unmöglich. In dieser Stadt verschwand jemand schneller als in New York. Hongkong war die Hölle.
Wie sollte Suko überhaupt darauf kommen, daß man mich in den Abwässerkanälen gefangen hielt?
Nein, ich mußte mich aus dieser Lage schon selbst befreien.
Die Frage war nur wie?
Etwas Positives konnte ich meiner Situation jedoch abgewinnen. Vorerst sollte ich wohl nicht getötet werden, denn das hätten meine Feinde ohne Schwierigkeiten erledigen können, als ich noch bewußtlos war. Sie hatten also etwas mit mir vor. Klatsch!
Wieder fiel ein Tropfen auf meine Kleidung. Es glich schon einer Folter, wenn in regelmäßigen Abständen immer wieder die Tropfen auf die gleiche Stelle trafen. Zuerst geht das ja noch, man nimmt es hin, aber nach Stunden wirkt jeder Aufprall wie ein Hammerschlag. Mit solchen Methoden hatten die Menschen früher ihre Feinde zum Wahnsinn getrieben. Allerdings klatschten die Wassertropfen dann auf die Stirn des Bedauernswerten. Vor allen Dingen in Asien wurde diese Methode praktiziert.
Bei mir war es wohl nur ein Zufall, daß das Wasser immer auf die gleiche Stelle traf.
An den Gestank hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, und auch die Luft konnte ich noch atmen, ohne daß es mir übel wurde. Ich mußte nur zusehen, daß ich mich irgendwie aus der vertrackten Hängelage befreite.
Das war jedoch leichter gesagt als getan.
Die massive Holzstange steckte mit beiden Enden fest. Genau in der Mitte hing ich. Unter mir schäumte das
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