0066 - Dämonenrache
weißer Bart umrahmte es. Der Alte hob den Knotenstock und drohte Zamorra, Nicole und Bill.
»Ihr habt einen Teil von Abu Dschafar getötet!« rief er auf Spanisch. »Verflucht sollt ihr sein. Abu Dschafar, der Alte aus der Höhle, wird euch strafen. Ich sage euch den Kampf an, und ihr sollt mich fürchten lernen. Eure Seelen werden Abu Dschafar gehören, dessen Verkünder und Prophet ich bin.«
Der Alte geiferte vor Wut. Hinter Zamorra liefen die drei Männer weg, die nach ihm und seinen beiden Begleitern aus dem Lokal gekommen waren.
»Spreche ich mit Abd el Bekim?« fragte Zamorra.
»Ja, ich bin Abd el Bekim. Ich bin Abu Dschafars Prophet, aber nicht nur das.«
Zamorra griff unter das Hemd, um sein Amulett hervorzuholen.
Da trat der Alte zur Seite und verschwand durch die Eingangstür in einem der Häuser. Er öffnete und schloß die Tür wie ein normaler Mensch.
Bill Fleming wollte hinterher. Aber Zamorra hielt ihn am Arm zurück.
»Nein, Bill. Der Alte ist bestimmt nicht nur gekommen, um sich vorzustellen und ›Guten Abend‹ zu sagen. Ich nehme an, in diesem Haus ist eine Falle vorbereitet.«
»Du hast doch dein Amulett, Zamorra. Also, worauf warten wir?«
»Gegen ein Messer in den Rücken oder eine Kugel hilft mit Leonardo de Montagnes Amulett auch nichts. Wir wollen zum Hotel zurückfahren und überlegen, wie wir weiter vorgehen sollen. Es ist auch schon spät.«
Über Tanger leuchteten die südlichen Sterne. Es war kühl in den Gassen, und vom Atlantik her blies eine Brise. Kommissar Mulay Hafid und die Polizisten traten jetzt aus dem Lokal, dessen Laterne erlosch.
»Ist hier etwas vorgefallen?« fragte Mulay Hafid, als er Zamorra, Nicole und Bill in der Gasse stehen sah.
»Sollte hier etwas vorgefallen sein, Monsieur le Commissaire?« fragte Nicole in ihrem unschuldigsten Ton zurück. »Bon soir.«
Die drei gingen davon, zu dem Platz, auf dem Abdul Aziz mit seinem Taxi warten wollte.
***
Professor Zamorra, Nicole und Bill hatten sich im Gewirr der Altstadtstraßen Tangers verlaufen. Es ging Treppen hinauf und hinab, durch enge dunkle Tore und unter Balkonen hindurch. Nichts regte sich. Kein Mensch war auf der Straße, die Türen und Fenster der Häuser, letztere ohnehin nur schmale Luken, verrammelt.
Kaum ein Lichtschimmer drang aus den Häusern. Es war nach ein Uhr morgens. Trotzdem wunderte es Zamorra, daß die Stadt so ausgestorben lag. Das hätte nicht der Fall sein dürfen. Lokale und Cafés, die bis in die Morgenstunden geöffnet waren, und Nachtbummler gab es immer.
Hier schrien nur Katzen auf den Dächern und in den Hinterhöfen.
Sonst war kein Laut zu hören. Nicole wurde es unheimlich zumute.
»Wo ist denn jetzt dieser Platz des Kamelbrunnens, von dem Abdul sprach?«
»Weiß der Teufel«, brummte Bill und kratzte sich ratlos am Kopf.
»Diese Gassen sehen alle so gleich aus. Über eine Stunde suchen wir jetzt schon. Ich habe irgend etwas verwechselt, Abdul sagte es mir so schnell. Und es ist auch kein Mensch auf der Straße, den man fragen kann.«
»Dort kommt ein Mann«, sagte Zamorra.
Es war ein dünner Araber. Er hatte einen Burnus an. Eine schwarze Kordel umspannte den Tarbusch, die Kopfbedeckung.
Er sah aus wie ein Beduine. Zamorra sprach ihn an. Der Araber war ziemlich groß und hatte eine schlechte Haltung.
»Salem aleikum«, sagte Zamorra. Er fragte den Mann, ob er Französisch spreche oder Spanisch. Spanisch konnte der Beduine. »Wo finde ich den Platz des Kamelbrunnens?« fragte Zamorra.
Der Araber machte es ihm mit vielen Gesten klar. Er kannte sich anscheinend gut aus in der Altstadt. Zamorra bedankte sich, und sie gingen weiter.
Der Platz war nicht weit entfernt. Sie mußten durch eine schmale Gasse, in der ein Mann mit ausgestreckten Armen die Hauswände an beiden Seiten berühren konnte. Als sie durch diese Gasse liefen, heulte ein Hund dumpf und schaurig.
»Direkt unheimlich«, sagte Nicole.
»Ja«, sagte Zamorra. »Besonders, wenn man bedenkt, daß das kein echter Hund war, der da geheult hat. Aufgepaßt!«
Zamorra besaß ein scharfes Gehör. Er hatte gemerkt, daß das Hundegeheul von einer menschlichen Kehle imitiert worden war. Nur wenig Mond- und Sternenlicht sickerte in die Gasse. Von dem Lichtschein der Neonreklamen, erleuchteten Schaufenster und Straßenlampen im moderneren Teil von Tanger war hier nichts zu bemerken.
Entweder gab es hier keine Straßenbeleuchtung, oder sie war abgeschaltet worden.
Plötzlich sprangen dunkle Gestalten aus
Weitere Kostenlose Bücher