0072 - Ich war kein Fraß für Tiger
die Schauspielerin noch einmal hinsichtlich des nächtlichen Überfalles zu vernehmen.
Ich hätte den Cops ja einiges dazu erzählen können, aber ich hielt es nicht für ratsam. Ich hatte mir immerhin die Filme widerrechtlich angeeignet. Wenn sie auch jetzt jedes Gericht für uns beschlagnahmen würde, da die Filme offensichtlich Dokumente eines Verbrechens darstellten, so hätte es doch nur unnötige Scherereien gegeben.
Ich unterhielt mich mit der Witwe von Stewart Hail. Ich fragte sie, wie lange sie nun schon mit Stewart Hail verheiratet sei.
»Neun Jahre«, erwiderte sie tonlos.
»Erwähnte Ihr Gatte in diesen neun Jahren irgendwann einmal etwas von Tief seetauchen?«
Sie lächelte schwach.
»Oh ja. Wir fuhren jeden Sommer nach Florida und tauchten dort. Wissen Sie, so mit Schwimmflossen und einem Schnorchel und so.«
»Nein, das meine ich nicht. Ich meine richtiges Tiefseetauchen. Mit einer richtigen Taucherausrüstung, mit schweren Kugelhelm und so…«
»Ach so, jetzt verstehe ich, was sie meinen. No, Agent Cotton. Davon ist nie die Rede gewesen.«
»Er sagte auch nicht, dass er es vor seiner Verheiratung einmal getan habe?«
»Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas davon gehört zu haben.«
Sie blieb dabei, und ich erfuhr in keiner Hinsicht irgendetwas Nennenswertes. Auch die üblichen Routinefragen, ob ihr Mann Feinde gehabt hätte und so weiter, brachten keine Ergebnisse.
***
Ich hatte schon am frühen Morgen den Arzt unserer Mordkommission damit beauftragt, bei den beiden Leichen im Schauhaus eine gründliche Obduktion vorzunehmen. Nach dem Gespräch mit Mrs. Hail rief ich ihn an, nachdem ich wieder in meinem Office war.
»Na, Doc, haben Sie schon etwas Greifbares ermittelt?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, was für Sie greifbar ist«, gab er knurrend zurück. »Ich kann Ihnen im Augenblick nur folgende Angaben machen: 1. Der allgemeine Gesundheitszustand war bei beiden Männern zufriedenstellend. Ernste Gefährdungen waren nicht vorhanden, bis auf eine leichte Herzverfettung des einen, die sich durch vernünftige Lebensweise aber hätte rückgängig machen lassen. Von früheren schweren Krankheiten sind keine Anzeichen vorhanden. Die beiden hätten hundert Jahre alt werden können. 2. Die unmittelbare Todesursache. Beide Schädel weisen sehr eigentümliche Bruchverletzungen auf. Es ist anzunehmen, dass ihnen mit einem stumpfen, unregelmäßig geformten Gegenstand der Schädel eingeschlagen wurde. Und zwar muss es sich bei beiden um die gleiche Waffe gehandelt haben, da die Art der Brüche fast auf den Millimeter übereinstimmt. 3. Als Mordwaffe kommt nichts von den bekannten Gegenständen infrage, die bei solchen Gelegenheiten üblicherweise verwendet werden. Es war weder die stumpfe Seite eines Beils, noch ein Hammer, noch sonst irgendein geläufiger Gegenstand. Ich tappe völlig im Dunkeln bei der Frage, was es nun eigentlich gewesen sein könnte. Der völlig bizarren Form nach möchte ich fast sagen: Eine knorrige, grotesk gewachsene Baumwurzel. Aber das ist deshalb ausgeschlossen, weil nicht die kleinsten Spuren von Rinde oder Holz zu finden sind, die mindestens mikroskopisch nachweisbar sein müssten. Wenn mit einem Holz ein so harter Gegenstand wie unser Schädel bearbeitet wird, muss notwendigerweise auch das Holz selbst in Mitleidenschaft gezogen werden. Aber davon sind nicht die geringsten Spuren vorhanden. Eigenartigerweise fand ich aber in beiden Haaren mikroskopisch kleine Goldspuren. Ich habe schon im Labor angerufen, dass man mir einen Spezialisten für mikrochemische Analysen schickt. Er soll mit der Mikroskoppinzette die Goldspuren heraussuchen und analysieren. Vielleicht gibt es daraus etwas, was Ihnen bei der Aufklärung des Falles hilft.«
»Gut. Vielen Dank. Sagen Sie dem Chemiker, dass er mich anruft, sobald er seine Arbeit beendet hat. Und Sie schicken mir bitte Ihren endgültigen Untersuchungsbefund ins Office.«
»Natürlich, Cotton. So long.«
»So long, Doc.«
Ich legte den Hörer auf. Mittlerweile war es schon nach sechs Uhr abends geworden. Wir kamen langsam voran, sehr langsam, aber das beunruhigte mich nicht. Solange es in einem Fall überhaupt weitergeht, ist man zufrieden. Und wir hatten soviel Ansatzpunkte, dass sich irgendwo eine verheißungsvolle Spur entwickeln musste.
Zunächst waren noch die Fälle voneinander zu trennen. Es bestand nicht der leiseste Grund für die Annahme, dass das Verbrechen im Zoo irgendeinen Zusammenhang mit der
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