0073 - Der Satansfjord
ich mich zu früh gefreut hatte. Wir erlebten einen heißen Empfang.
***
Jane Collins war am Ende!
Restlos!
Sie schleppte sich nicht einmal mit letzter Kraft voran, weil sie gar keine Kraftreserven mehr besaß. Sie wußte selbst nicht, was sie dazu befähigte, einen Fuß vor den anderen zu setzen und Schritt zu halten.
Es mußte der eiserne Wille sein, auch dieses Grauen zu überleben, irgendwie durchzuhalten! Etwas anderes gab es nicht!
Die Rentiere ließen ihr und den anderen Gefangenen keine Wahl. Wer nicht von den scharfen Hufen zertrampelt werden wollte, mußte mit! Die Tiere behielten die Gefangenen stets in ihrer Mitte. Ausbruchsversuche waren völlig sinnlos, weil die mächtigen Leiber so dicht nebeneinander dahintrabten, daß nicht einmal eine Maus durchschlüpfen konnte.
Anfangs hatten die Touristen noch um Hilfe gerufen und über Flucht gesprochen. Später hatten sie einander Mut gemacht.
Noch später waren sie verstummt, weil sie nicht mehr sprechen konnten.
Manche stützten ihre Angehörigen, die schwächer als sie waren. Ein junger Mann schleppte seine Freundin, ein älteres Ehepaar stützte sich gegenseitig. Jane beobachtete sie besorgt. Sie selbst führte eine Frau, die unter Übergewicht litt und kaum noch Luft bekam. Jane preßte die Zähne zusammen. Sie mußte an Bilder von Gefangenen- oder Flüchtlingsströmen denken.
Welche teuflische Macht verleitete die Rentiere dazu, diese unschuldigen Menschen so zu malträtieren?
Da passierte es. Der alte Mann brach in die Knie und rollte zur Seite. Der Zug stockte.
Jane ließ die Gewichtige los und schleppte sich zu dem Ehepaar. Auch die Frau war zu Boden gesunken.
Jane Collins wunderte sich, daß die Herde diese Pause zuließ. Den Grund dafür sollte sie gleich erfahren, und er war so schauderhaft, daß sie ihn nicht sofort begriff!
Auf den ersten Blick sah sie, daß dem Mann nicht mehr zu helfen war. Er starb in den Armen seiner verzweifelten Frau. Sein Körper hatte die Überanstrengung nicht mehr ertragen.
»Kommen Sie«, sagte Jane. In ihrer Kehle saß ein Kloß. Sie schluckte schwer und hatte feuchte Augen. »Er braucht nicht mehr zu leiden!«
Die alte Frau schien sie gar nicht zu hören. Sie starrte unverwandt auf ihren toten Mann.
Doch dann passierte das Grauenhafte. Der Tote verwandelte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit.
Auf seiner Haut wuchs Fell. Aus der Stirn brach ein Geweih. Arme und Beine verwandelten sich ebenfalls, wurden zu den Beinen eines Rentiers. Der ganze Körper verformte sich zuckend.
Jane Collins wollte vor Entsetzen schreien, aber Erschöpfung und Grauen schnürten ihren Hals zu.
Der zu einem Rentier umgewandelte Leichnam reckte sich und stand auf! Ein Untoter in Tiergestalt!
Was mußte die Frau durchleiden! Erst starb ihr Mann, dann wurde aus ihm ein Monster!
Vergeblich suchte Jane nach irgendwelchen Worten, mit denen sie die seelischen Qualen der alten Frau mildern konnte. Sie fand keine, weil es keine gab! Die Menschen rings um sie stöhnten und schluchzten. Sie alle hatten soeben gesehen, welches Schicksal auf jeden einzelnen von ihnen wartete, denn zweifellos würde es ihnen ebenso wie dem alten Mann ergehen.
»O nein«, flüsterte Jane verzweifelt. Sie hielt die Arme stützend um die Frau des Toten gelegt. Daher spürte sie, wie die Kraft auch aus diesem Körper wich.
Das Herz der alten Frau hatte die Belastungen und Schrecken nicht ertragen. Die Frau war schon tot, als Jane sie auf den Erdboden gleiten ließ.
Noch bevor Jane Collins ihre Hände zurückzog, fühlte sie unter ihren Fingern raues Fell. Mit einem Satz wich sie zur Seite. Wieder die Verwandlung! Auch aus dieser Leiche wurde ein Rentier. Es mischte sich unter die Herde, daß Jane nicht mehr herausfand, welche der Tiere die Untoten waren.
Oder sollten alle diese Wesen Untote sein, Geschöpfe der Hölle?
Die Privatdetektivin konnte diesen Gedanken nicht weiter verfolgen. Die Herde setzte sich wieder in Bewegung. Die Rentiere hatten nur abgewartet, daß zwei Touristen zu Ihresgleichen wurden.
Die grässliche Schinderei ging weiter.
Da hörte Jane Collins den Hubschrauber.
***
»Kein Zweifel, das ist die Herde!« gab ich über Funk an meinen Freund durch. »Du mußt sie auch gleich sehen! Dein Geländewagen ist nur durch einen Felsen von den Tieren getrennt!«
In fieberhafter Spannung beobachtete ich, wie Suko beschleunigte undmit atemberaubender Geschwindigkeit die Verfolgung aufnahm. Waghalsig war es vor allem wegen des
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