0076 - Oase der Verfluchten
ihre Besonderheiten und Abwechslungen, wenn man darauf achtete.
Am Abend entfachten die drei in einer Bodensenke ein Feuer aus Dornbuschzweigen. Sie aßen ihren Proviant und tranken Mokka, den Nicole gekocht hatte. Decken schützten sie vor der Kälte der Nacht. Die Sterne funkelten herrlich klar am Himmel. Die Einsamkeit und die absolute Stille beeindruckten Zamorra und Nicole, bis Bill Fleming zu schnarchen anfing, als wolle er einen Wald von Bäumen umsägen.
Am Morgen ging der Ritt weiter, in Richtung Sakaka. Von den Schreckensmumien war bisher nichts zu sehen gewesen. Auch jetzt zeigten sie sich nicht. Nichts verriet übernatürliches Wirken.
Gegen Mittag, nach einer kurzen Rast, waren die drei Reiter nur noch anderthalb Reitstunden von Sakaka entfernt. Da sah Zamorra Punkte am Himmel. Das mußten Geier sein. Häufig waren diese Aasvögel in der Wüste Nefud nicht, aber es gab sie, besonders natürlich in der Nähe einer größeren Ansiedlung wie Sakaka.
Bill Fleming zog die Stirn kraus.
»Da scheint etwas Totes vor uns zu liegen«, sagte er. »Die Geier kreisen.«
»Etwas Sterbendes oder dem Tod Geweihtes«, verbesserte ihn Zamorra. »Sonst hätten sich die Geier schon darüber hergemacht.«
»Vielleicht reiten wir besser einen Bogen um die Stelle.«
Nach kurzem Überlegen schüttelte Zamorra den Kopf.
»Nein. Ich will wenigstens sehen, was es ist.«
Sie ritten weiter. Als sie den Grat einer Bodenwelle erreichten, sahen sie es. Ein Mensch lag am Fuß der Bodenwelle, eine sehr junge Frau oder ein Mädchen, völlig entkräftet zusammengebrochen. Zwei Schakale lauerten schon in der Nähe.
Zamorra stieß einen Schrei aus, um die Schakale zu vertreiben, und ritt als erster die Bodenwelle hinunter. Die Schakale flüchteten. Zamorra sprang aus dem Sattel. Sowie die Zügel des Pferdes den Boden berührten, blieb es stehen wie angenagelt.
Nicole und Bill erschienen gleichfalls.
Das junge Mädchen war bewußtlos. Sein Puls pochte sehr schwach, die Hitze hatte es schon fast umgebracht. Die Bewußtlose trug Pantoffeln und ein helles seidenes Obergewand. Sie hatte ein blaues Tuch behelfsmäßig um den Kopf gewunden. Für einen Marsch durch die Wüste war das Mädchen gewiß nicht ausgerüstet.
Es hatte den Anschein, als sei es in großer Hast geflohen.
Zamorra, Nicole und Bill bemühten sich um die Bewußtlose. Zamorra kühlte ihr Gesicht mit einem feuchten Tuch und flößte ihr vorsichtig etwas Wasser ein. Das ohnmächtige Mädchen schluckte gierig.
Zamorra und seine beiden Gefährten hatten noch eine Weile zu tun, bis die Bewußtlose die Augen öffnete. Dunkle, feurige Augen, in denen jetzt Verwirrung und Angst standen.
Das Mädchen stammelte etwas auf Arabisch.
»Tut mir leid«, antwortete Zamorra auf Französisch. »Arabisch verstehen wir nicht. Do you speak Englisch? Parlez-vous francais? Sprechen Sie Deutsch?«
Das Mädchen antwortete in gutem, allerdings akzentuiertem Englisch.
»Ihr habt mich gerettet. Ihr werdet mich ihnen nicht in die Hände fallen lassen? Tötet mich lieber, falls sie auftauchen.«
»Was meinen Sie, Miß?« fragte Bill Fleming.
»Die reitenden Mumien von Sakaka. Die Söhne des Windes. Samir, den Grausamen, und seine schreckliche Horde.«
***
Zamorra, Nicole und Bill schauten sich gegenseitig an. Zamorra gab dem Mädchen, das sie in der Wüste gefunden hatten, Wasser aus dem Ziegenlederschlauch zu trinken.
»Die reitenden Mumien treiben in Sakaka ihr Unwesen?« fragte er.
»Ja«, antwortete das Arabermädchen. Seine Kleidung, obwohl mitgenommen von dem Marsch durch die Wüste, war kostbar. Es handelte sich nicht um ein einfaches Fellachenmädchen. »Es hat eine Palastrevolution gegeben. Ein elender Schurke, ein menschliches Ungeheuer, das Allah verdammen möge, hat die Schreckensmumien benutzt, um Scheich Suleiman zu ermorden, Sakaka zu unterwerfen und sich selber zum Scheich zu machen. Ich habe diesem Elenden den Schädel eingeschlagen. Aber damit sind die schrecklichen Mumien noch nicht gebannt. Bestimmt verfolgen mich ein paar von ihnen. Vielleicht richten die anderen in Sakaka ein Blutbad an. Es gibt keine Waffe gegen sie. Sie sind furchtbar, furchtbar, furchtbar!«
Das Mädchen begann zu schluchzen. Zamorra hielt ihren Kopf.
»Beruhigen Sie sich«, sagte er. »Wir beschützen sie. Ich besitze eine starke Waffe der Weißen Magie und habe es nicht zum erstenmal mit Geistern und Dämonen zu tun. Ich will die reitenden Mumien bekämpfen.«
»Sie sind ein Magier?«
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