0077 - Der Mörder aus dem Nichts
hinter den Wolken hervorkam, sah ich den Umriß einer Gestalt in Mantel und Hut, die auf den uralten Ford zuging, der auf der Lichtung am Rand des Weges stand.
Wenig später polterte der Motor los, die Scheinwerfer flammten auf. Das wacklige Auto setzte sich in Bewegung.
Ich wartete, bis nichts mehr davon zu sehen und zu hören war. Diese Chance bekam ich so rasch nicht wieder. Ich verließ mein Versteck, schlich zum Haus und probierte, wie gut das Schloß war, das Toomins Behausung sicherte.
Es war nicht sehr gut. Es dauerte keine fünf Minuten, da stand ich bereits in der schmalen Diele.
Ich rechnete, daß ich mindestens eine halbe Stunde Zeit zur Verfügung hatte. Außerdem machte der Ford solchen Krach, daß ich hoffen durfte, ihn rechtzeitig genug zu hören, um das Haus wieder zu verlassen.
Jetzt nahm ich die Taschenlampe zu Hilfe und durchsuchte systematisch die Räume. Rechts von der Diele befand sich der Wohnraum, in dem wir mit dem Professor gesprochen hatten. Daneben lag das Schlafzimmer und gegenüber eine Küche. In allen Zimmern war nichts Besonderes zu entdecken, aber am Ende des Flurs befand sich eine Tür, die verschlossen war.
Große Schwierigkeiten bot auch dieses Schloß nicht. Als ich die Tür öffnete, zeigte sich dahinter eine Steintreppe, die nach unten führte. Auf ihr gelangte ich in einen großen Kellerraum, der anscheinend die gesamte Grundfläche des Hauses umfaßte.
Das Licht meiner Taschenlampe glitt von Gegenstand zu Gegenstand. Auf einem großen Tisch stand eine Anzahl von Geräten, Gläsern, Röhren, Meßinstrumenten. In einer Ecke lehnten Metallplatten, in einer anderen kurze viereckige Eisenstäbe. Das alles ließ keine besondere Anordnung erkennen. Man konnte nicht einmal mit Sicherheit behaupten, daß Toomin hier irgendwelche Experimente durchführte. Ebensogut konnte der Keller auch als Rumpelkammer für nicht mehr benutzte Geräte dienen.
Schon wollte ich den Raum wieder verlassen, als ich bemerkte, daß sich unter den Treppenstufen ein Hohlraum befand, nicht größer als- eine Hundehütte.
Ich bückte mich und stocherte ein wenig darin herum und zog einen Gegenstand hervor. Er entpuppte sich als ein langer grauer Strumpf, wie ihn wohl Jäger zu tragen pflegen.
Wie gesagt, seine Farbe war grau, aber bis zu der Stelle hinauf, wo er die Knie bedecken mochte, zeigte er große, dunkle, fast schwarze Flecke.
Mein Beruf bringt es mit sich, daß ich oft Menschen sehen muß, die Blut an ihren Kleidern haben, ihr eigenes oder das von anderen. Ich weiß, wie die Flecken aussehen, die eingetrocknetes Blut hinterläßt.
Dieser Strumpf hier war voller Blut. Er war so voll davon, als wäre er in Blut getaucht worden.
***
Ich überlegte, ob ich es riskieren konnte, das Ding mitzunehmen. Das Gerümpel sah ganz so aus, als interessiere sich sein Besitzer nicht mehr dafür. Er würde wohl kaum auf den Gedanken kommen, nachzusehen, ob etwas fehlte.
Ich rollte den Strumpf zusammen, steckte ihn in die Tasche und verließ den Keller. Die Tür schloß ich sorgfältig wieder ab. Auch die Haustür verschloß ich von außen.
Da es mir keinen Sinn zu haben schien, auf Toomins Rückkehr zu warten, machte ich mich zu Fuß auf den Rückweg. Das war ein gutes Stück zu marschieren. Es ging auf vier Uhr zu, als ich endlich in Phils Zimmer im Hotel stand und ihn aus dem Schlaf rüttelte.
Er fuhr auf und rieb sich die Augen.
»He, was ist los?« fragte er mißmutig.
Ich zeigte ihm den Strumpf.
»Aus Toomins Haus?« fragte er.
Er nahm ihn vorsichtig in die Hand.
»Das ist Blut«, stellte er fest. »Gehört er Toomin?«
»Das weiß ich nicht, aber ich fand ihn im Keller seines Hauses. Besser, du brichst deinen Schlaf ab, Phil. Nimm den Lappen und fahr nach New York. Sie sollen die üblichen Untersuchungen machen. Was für Blut? Welche Gruppe? Am besten bleibst du dabei, damit alles sofort geschieht. Diese biologischen Untersuchungen dauern ohnedies sehr lange. Sieh zu, daß wir bis zum Abend Bescheid wissen.«
»Und Toomin?«
»Er fuhr um zwei Uhr noch mit seiner Mühle fort.«
Phil dachte nach. Dann sagte er: »Wir sollten bei den Cailleaus nachfragen, ob das Mädchen heute nacht wieder eine Erscheinung gesehen hat. Dann wüßten wir, daß die Erscheinungen auftreten, wenn der Professor nicht zu Hause ist. Und damit wäre eigentlich schon alles klar.«
»Nichts wäre klar«, lachte ich. »Du willst nur länger im Bett bleiben.«
Fluchend schlug der die Decke zurück.
***
Gegen Mittag
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