0086 - Das Floß der Verdammten
ein kleiner Platzregen von der wuchtigen Gestalt ins Meer zurück.
Und dann war es, als teilte sich der Koloss.
Etwas Langes, Schwarzes schien sich von ihm zu lösen. Aber es haftete an seinem Körper. Kam nur immer weiter nach vom, schob sich auf den steinigen Strand zu. Tastete die Linie ab, wo das Wasser zu Ende war. Kroch wie ein Baumstamm dick den Felsen hinan, bis dahin, wo die Männer lagen.
Der dunkle Schatten, der wie ein Baumstamm aussah, war nichts weiter als der gewaltige Arm des Ungeheuers.
Er schob sich heran wie ein Kran, griff einmal kurz zu, rollte zurück bis zum Wasser. Dort tauchte er unter. Sekundenlang.
Dann kam er wieder hoch, schob sich erneut heran. Noch schliefen die Männer.
Dann aber fasste die Kralle des Ungeheuers das Floß. Zog es bis zum Wasser hinunter. Die Balken verursachten ein heftiges Schleifund Kratzgeräusch auf dem Felsengestein.
Davon wurde Moreno Garcera wach, der junge Mulatte.
Er rieb sich den Schlaf aus den Augen, starrte in die Dunkelheit vor sich. Da sah er den Koloss, der wie ein Berg aus dem Wasser ragte.
Der Mulatte schrie aus Leibeskräften. Sofort waren die übrigen Männer wach.
»Was ist?«, rief Ben Benson verschlafen.
»Er holt unser Floß!«, schrie Moreno hinüber. »Ich habe es gehört, wie es über die Steine schleift. Dort steht er!«
Sie sahen zum Wasser. Sahen den mächtigen Schatten, der sich gegen das Halbdunkel des Himmels abhob.
Keiner schrie mehr. Keiner sagte ein Wort.
Sie hörten die letzten kratzenden Geräusche. Dann klatschte das Floß aufs Wasser, wurde von dem Ungeheuer fortgezogen.
Der Koloss entfernte sich.
Er hatte sich das Floß der sechs Männer geholt.
Und einen von ihnen.
»Es ist nicht schade um das Floß, Henk«, flüsterte Delay, als er das Ungeheuer aus der Tiefe in sicherer Entfernung wähnte. »Du hast selbst gesagt, dass wir uns ein neues bauen werden. Ein größeres und viel besseres. Warum sagst du nichts, Henk?«
Von Barber kam keine Antwort. Der Aufschrei des jungen Mulatten war Antwort genug für Delay.
»Er hat ihn geholt!«, schrie Moreno. »Das verdammte Vieh hat sich Henk Barber geholt!«
Im Nu waren alle auf den Beinen. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie suchten den Strand ab, tasteten sich mühsam voran.
Henk Barber blieb verschwunden.
Erst in der Morgendämmerung sahen sie seine Leiche.
Die Strömung hatte sie bis zur Insel getragen.
»Das Vieh bringe ich um!«, schrie Simba Simba auf, als er sah, wie Henk Barber zugerichtet war.
Die Männer rissen sich die Hände blutig, als sie für Barber ein steinernes Grab herrichteten.
Gesprochen wurde kein Wort dabei.
»Wer sagt denn ein Wort, verdammt noch mal?«, rief Jean Delay aus. »Henk hat doch zu uns gehört! Weiß denn keiner ein letztes Wort für ihn? Es gibt doch da so was, mit ewiger Ruhe und so. Also redet schon, wenn ihr was wisst!«
Der junge Mulatte war es, der an den kleinen Steinhaufen herantrat.
»Schlaf in Frieden«, sagte er und machte ein zitteriges Kreuzzeichen.
»Und jetzt zu dem Wrack«, sagte Simba. »Ich war nicht auf das Gold aus. Aber jetzt weiß ich, wer dieser Ukupa ist. Er behütet nicht nur Schätze. Er bringt kaltblütig um. Wir werden uns alles holen, was in dem Wrack zu finden ist. Bis auf das letzte Stück.«
»Ich mache nicht mit«, sagte Jean Delay. »Ich vergreife mich nicht an dem Gold.«
»Wenn Henk es gefunden hat, gehört es ihm. Jetzt ist er tot, Jean. Und wir sind seine Erben, sozusagen.«
»Ich rühre das Erbe der Inkas nicht an«, gab Jean Delay zurück. »Ihr werdet tun, was ihr wollt. Aber ich beteilige mich nicht daran.«
»Ich auch nicht«, ließ der Mulatte sich vernehmen.
»Was?«, machte Magaya, und es klang sehr verächtlich. »Das ist die Chance deines Lebens, mein Junge. Das gibt etliche tausend Dollar fur jeden von uns.«
»Nehmt meinen Anteil«, sagte Moreno Garcera. »Ich will nichts davon haben.«
»Quatsch!«, wies ihn Simba zurecht. »Jeder macht mit, und jeder bekommt seinen Anteil.«
»Moreno und ich verzichten«, sagte Jean Delay. »Wir zwingen euch nicht, davon abzulassen. Und ihr könnt uns nicht zwingen, teilzunehmen. Also, fangt an. Ich mache mich mit dem Jungen auf die Suche nach geeignetem Holz. Schließlich brauchen wir auch ein neues Floß.«
Er gab dem Mulatten einen Wink und ging neben ihm her aufs Innere der kleinen Insel zu.
Als sie ein kleines Plateau mit dichterem Baumbestand erreichten, hörten sie von ferne Motorengeräusche.
»Eine Cessna«, sagte
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