0087 - Treibstoff 558
Zettel, dessen Inhalt ich nicht verstehe.«
Colonel Seagrave hatte mir mit zunehmender Aufmerksamkeit zugehört. »Van Buren hat sich in dieser Woche noch nicht bei uns sehen lassen. Er wollte bei sich zu Hause noch eine Anzahl theoretischer Rechnungen vornehmen und damit zugleich eine wichtige Entwicklungsarbeit beenden. - Der Name Darnell sagt mir nichts. Lieutenant Benelli gehört zum wissenschaftlichen Hilfspersonal. Sie erwähnten einen Ihnen unverständlichen Zettel…«
Ich klappte mein Notizbuch auf. »Auf dem Zettel standen nur vier Worte: ›Zehrung ist nicht Cordit.‹«
Dieser Satz hatte eine ungeahnte Wirkung auf den Offizier. Seagrave öffnete den Mund starrte mich sekundenlang stumm an und begann dann kräftig zu fluchen.
»Ich verstehe nicht, Sir«, sagte ich, »ich sehe…«
Der Colonel schüttelte heftig den Kopf, drückte auf einen Knopf und sprach in ein Mikrophon hinein.
»Hier Colonel Seagrave, hier Colonel Seagrave. Lieutenant Benelli soll sofort zu mir kommen und im Vorzimmer warten.«
Jetzt war er wieder für mich zu sprechen.
»Ihnen als Angehöriger des FBI darf ich gewisse Andeutungen machen. Wir beschäftigen uns hier mit der Entwicklung und Vervollkommnung neuer Raketentreibstoffe. Sie sind für das nukleare Programm von größter Bedeutung. Der Grundaufbau einer Rakete ist immer noch derselbe wie vor etwa tausend Jahren, als die Chinesen 16 das erste Feuerwerk abbrannten. Bis etwa zum Jahr 1939 kannte man nur Raketen mit Pulvertreibstoff, sogenannte Feststoffraketen. Dann begann die Entwicklung flüssiger Treibsätze. Erst in den letzten Jahren erkannte man dann, dass feste Treibsätze ungeheure Entwicklungsmöglichkeiten bieten, und wir begannen, uns damit zu beschäftigen. Zuerst nur am Rande, später aber mit allem Nachdruck. Man ist allerdings von den früher üblichen Schwarzpulversätzen abgekommen und verwendet heute moderne Pulver, zum Beispiel Cordit. Vielleicht werden Sie die Bedeutung des bei der Toten gefundenen Zettels besser verstehen, wenn ich Ihnen sage, dass ›Zehrung‹ ein Fachausdruck für Treibladung ist…«
»Mit anderen Worten«, sagte ich erregt, »man konnte die Zeile auf dem Gefundenen Zettel auch so lesen, die Wissenschaftler in Rock Harbor arbeiten an einer neuartigen Feststoffrakete, deren Treibsatz nicht auf Cordit-Basis entwickelt ist.«
»Aber das würde doch heißen«, fiel Lister ein, »dass sich diese Miss Damell in unzulässigerweise mit unserem streng geheimen Arbeitsprogramm beschäftigte…«
Bevor ich darauf antworten konnte, klingelte das Telefon.
Seagrave nahm ab, meldete sich, stellte eine Rückfrage und nicke mir zu. »Für Sie« sagte er und reichte mir den Hörer.
Phil Decker war am Apparat.
»Hallo, Jerry, ich spreche von van Burens Wohnung aus. Du wirst überrascht sein. Er ist heute Morgen aus einer 11,45er Thompson erschossen worden.«
Ich biss mir auf die Unterlippe.
»Hast du schon etwas unternommen?«, fragte ich heiser.
»Nein, noch nicht, ich wollte dich erst unterrichten.«
»Es ist wohl am besten, du sprichst zuerst mit Lieutenant Gardener. Er soll die ersten Ermittlungen anstellen. Die Sache muss streng geheim behandelt werden, und die Presse darf unter keinen Umständen informiert werden. Ich komme nachher zu dir.«
»Augenblick bitte«, mischte sich Colonel Seagrave ein. »Wenn ich richtig verstanden habe…« Er sah mich mit gerunzelter Stirn an.
»…dann ist Gordon van Buren ebenfalls heute Morgen ermordet worden«, führte ich seinen angefangenen Satz zu Ende.
Der Colonel schlug mit der Pbust auf den Tisch. »Wir müssen sofort hin. Wenn der Mörder van Burens Arbeiten und Pläne gestohlen hat und sie an eine fremde Macht verkauft, schädigt das die Landesverteidigung in einer Weise, die Sie, Mr. Cotton, nicht ahnen können.«
In diesem Augenblick meldete eine Männerstimme aus dem Lautsprecher: »LieutenantBenelli wartet im-Vorzimmer.«
Seagrave drückte auf einen Knopf und sagte, der Offizier solle hereinkommen.
Benelli war ein schmaler, drahtiger Mann mit schwarzem, glänzendem Haar, der seine italienische Abstammung nicht verleugnen konnte. Er trug einen eleganten Zivilanzug.
Colonel Seagrave stellte uns vor. Als Benelli sich gesetzt hatte, wandte ich mich formlos an ihn. »Ich habe einige Fragen an Sie zu richten.«
Benelli sah mich verblüfft an und nickte schweigend.
»Seit wann kannten sie Clarissa Damell?«, fragte ich.
Benelli zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf.
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