009 - Mordaugen
ausschalten.
»Hm, hab
ich’s mir doch gedacht. Das war anzunehmen. Damit habe ich gerechnet. Schade,
daß Glen nicht da ist. Er war heute wirklich überlastet. - Es ist zuviel auf
ihn eingestürmt. Es waren zu viele Menschen da, um die er sich kümmern mußte.
Nun hält er sich zur Zeit in New York auf. Das ist sehr wichtig. Aber er wird
bald wieder zurück sein. Ich hätte dir gern die Arbeit erspart, aber in
Anbetracht der besonderen Umstände kann ich auf deine Mithilfe nicht
verzichten. Und du hilfst doch gern, nicht wahr?« Wieder nickte Morna. »Das ist
fein«, seufzte die Alte. Sie redete mit der abwesenden Schwedin, die nur Sinn
für die Worte der Fremden hatte, wie mit einem kleinen Kind. »Du bist sehr
lieb... Ich möchte, daß du sie zurückholst. Hole die Frau, der du geholfen
hast, von dort zurück, wohin du sie brachtest...! Sie gehört hierher, verstehst
du?« Mornas Augen verengten sich. »Nein, du verstehst nicht. Nun gut, dann
werde ich es dir zeigen. Ihr Platz ist schon reserviert, und Glen wird böse
sein, wenn er erfährt, daß sie mir entkommen ist. Auch die Vampire, zu denen
sie gehören soll, waren zu langsam. Sie spürten bereits die Nähe des
Tageslichts. Und das meiden sie. Aus verständlichem Grund... Komm mit, meine Liebe...
«
Kein
Widerspruch kam in Morna auf. Sie folgte der Alten wie eine Traumwandlerin.
Das Gift
hatte sie völlig unter Kontrolle.
Sie kamen
durch einen zweiten Korridor, dann durch einen prunkvoll eingerichteten Raum,
schließlich in das Zimmer mit den vier Gestalten.
Im roten
Licht saßen sie reglos am Tisch. Lebensgroße Puppen, die nicht atmeten.
Was sie
ebenfalls registrierte, war, daß die Alte nicht atmete. Aber die Kraft, daraus
für sich eine Konsequenz zu ziehen, fand sie nicht...
»Noch drei
Sessel sind leer. Noch ehe die Sonne heute sinkt, werden zwei weitere besetzt
sein. Auch du, meine Liebe, wirst eingeladen, hier Platz zu nehmen. Und von
Stunde an wird nicht mehr der Tag, sondern die Nacht dein Metier sein... als
Vampir bist du dazu verurteilt, dich auf die Jagd nach Menschenblut zu begeben.
Und du wirst am eigenen Leib verspüren, wie süß es ist, der Hölle anzugehören,
zu uns zu gehören, die wir keine Menschen mehr sind... und nun geh, erfülle
meinen Auftrag. Ich erwarte euch beide und werde den Tisch für euch bereiten...
Hast du mich verstanden?«
»Ja«,
antwortete Morna Ulbrandson tonlos.
Die Alte
deutete zur Tür. Die Geste galt der Schwedin. Morna legte die Hand auf die
Klinke und wollte sie herabdrücken, um den Weg zurückzugehen und ihren Auftrag,
Linda Pokins zu holen, zu erfüllen.
Da wurde die
Tür von der anderen Seite aufgerissen.
Eine
breitschultrige, bärtige Gestalt stand auf der Schwelle.
Iwan
Kunaritschew!
Er packte zu,
riß die Schwedin hinaus auf den schummrigen Korridor und stürmte dann in den
Raum mit den vier Vampiren.
Die Alte
schrie auf, als sie so unerwartet eine weitere Person in ihrem Haus auftauchen
sah, und reagierte mit einer erstaunlichen Schnelligkeit.
Die Hand, die
das Blasröhrchen noch hielt, zuckte zum Mund.
Iwan duckte
sich. Keine Sekunde zu früh. Der winzige Pfeil, nicht größer als der Stachel
einer Wespe, zischte an ihm vorbei und traf mitten in die Stirn einer Vampirin.
Die Untote merkte nichts, geriet auch nicht unter die Wirkung des Giftes.
Kunaritschew
riß im Vorbeilaufen die Vorhänge auf der einen Seite zurück. Dahinter waren
schmale, hohe Fenster. Das erste Sonnenlicht sickerte durch die Scheiben und
fiel in den schummrigen Raum, traf die Vampire, die reglos am Tisch saßen wie
Puppen in einem Wachsfigurenkabinett.
Die Alte
kreischte schrill und voller Entsetzen auf.
Das
Tageslicht! In ihm zeigte sich, daß die vier Gestalten am Tisch keine
Wachsfiguren waren.
Ihre
Gesichter und Hände, die zuerst von den Sonnenstrahlen getroffen wurden,
trockneten und bröckelten, fielen in sich zusammen wie morsches Pergament, das
unter Gluthauch vergeht.
Staub
rieselte auf die Tischplatte und zu Boden. Raschelnd fielen die voluminösen
Kleider in sich zusammen. Trocken und grau quoll der Staub aus der Halskrause,
den leeren Puffärmeln hervor und verteilte sich in feinsten Schichten auf den
umstehenden Möbeln.
Vier Vampire
starben. Und diese Tatsache zeichnete das Gesicht der Alten mit einem Ausdruck
des Grauens und des Entsetzens.
Iwan
Kunaritschew, der die Schwedin in der Schreckensvilla hatte verschwinden sehen,
ließ der Alten keine Verschnaufpause.
Er warf sich
nach vorn und
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