0093 - Mord in der Mumiengruft
»Haben Sie schon mal jemand erschossen, Capitan? Es ist nicht einfach, glauben Sie mir.«
Der korrupte Polizist lachte. »Ich habe ein Jahr Dienst an der Nordgrenze hinter mir«, erklärte er. »Da haben wir die Rauschgiftschmuggler gejagt. Was meinen Sie, Conolly, wie viele Gangster wir da zur Hölle geschickt haben!«
»Ja, aber das war im Kampf. Wir stehen waffenlos vor Ihnen, das ist der Unterschied.«
»Für mich nicht.«
Bill hatte längst gemerkt, daß dieser Mann nicht bluffte. Mendozza war durch und durch verdorben. Die Aussicht auf das Geld hatte ihn geblendet und jegliche Hemmungen weggespült. Mendozza war nicht besser als die Leute, die er gejagt hatte. Bill fragte sich allerdings, wer sein Komplice war, doch auf diese Frage bekam er keine Antwort, da war Mendozza eisern.
»Du schaffst es nicht«, sagte Bill. »Uns beide legst du nicht um. Denke nach. Einen kannst du erwischen, den zweiten nicht. So schnell bist du nicht, Mendozza. Nein…«
»Halts Maul, du!« schrie der Capitan, und er drehte durch. In seinen Augen blitzte es auf, er krümmte den Finger, der bereits um den Abzug lag.
Darauf hatte Suko gewartet.
Seine rechte Stiefelspitze hackte in den Weg. Es lag genügend Sand darauf, und der Chinese traf genau.
Eine volle Ladung klatschte in Mendozzas Gesicht.
Kurz bevor er abdrückte.
Die Zeit reichte.
Mendozza verriß den Schuß. Die Kugel zog Bill fast einen Scheitel, bevor sie hinter ihm in die grüne Dschungelwand fuhr. Ein zweites Mal schaffte Mendozza es nicht mehr, den Zeigefinger zu krümmen, denn da war Suko bei ihm.
Er flog auf ihn zu.
Und seine Handkante kam wie ein Fallbeil.
Mendozza hatte insofern Glück, daß er instinktiv sein Gewehr hochriß und Sukos Handkante nicht ihn traf, sondern den Lauf.
Von der Aufprallwucht wirbelte das Gewehr durch die Luft – der Capitan konnte es nicht mehr halten. Die Waffe fiel in den Staub.
Der Capitan dachte gar nicht daran, sich weiterhin zum Kampf zu stellen. Er ließ das Gewehr liegen, warf sich auf dem Absatz herum und floh.
»Bleiben Sie stehen!« brüllte Bill.
Mendozza hörte nicht. Er wuchtete sich an der anderen Seite der Straße in den Dschungel und war im nächsten Augenblick verschwunden. Die grüne Wand hatte ihn verschluckt.
Bill Conolly schickte noch einen Fluch hinterher. Er und Suko hätten sofort die Verfolgung aufgenommen, aber sie wußten mich in Gefahr. Deshalb ließen sie es bleiben.
»Der kommt noch mal wieder!« rief der Reporter und winkte Suko zu. »Los, wenn er die Wahrheit gesprochen hat, dann geht es John verdammt schlecht.«
Der Reporter und der Chinese zögerten keinen Augenblick länger. Sie warfen sich dort in den Dschungel, wo auch ich verschwunden war…
***
Und ich sah den Tod vor Augen.
Den Tod in Gestalt einer Schreckensmumie, die mit ihren Klauen meinen Kopf berührte, um mich endgültig in das Sumpfloch zu drücken.
Eine wahnwitzige Sekunde lang hatte ich die Vorstellung, daß es jetzt aus war, daß es kein Zurück mehr gab, doch dann riß ich mich zusammen, mein Lebenswille siegte.
Der war stark wie ein Orkan.
Noch hatte ich meinen rechten Arm frei, und ich hielt die Machete in der Hand.
Alles oder nichts!
Das war die Devise.
Ich riskierte alles. Mein rechter Arm fuhr hoch, beschrieb einen Halbbogen, und bevor mich die Mumie noch in den höllischen Sumpf hineindrücken konnte, gab es einen dumpfen Schlag, und dann fiel ihr Kopf zu Boden.
Ich hatte ihn abgetrennt!
Neben dem Sumpfloch blieb er liegen. Der Torso stolperte noch ein paar Schritte zurück, bevor seine Beine nachgaben und er zusammenbrach. Ich war durch die Bewegung mit dem Schwert noch tiefer eingesackt, und das brackige Sumpfwasser umspülte bereits meine Schultern. Wenn nicht schnellstens Hilfe kam, war ich erledigt.
Ich schaute mich um. Dabei suchte ich nach einem Gegenstand, den ich fassen konnte, um mich aus dem Sumpfloch herauszuziehen. Eine Liane vielleicht, oder einen Baumast.
Doch meine Blicke wurden von der Mumie abgelenkt.
Der Torso lag am Boden, doch über ihm schimmerte eine Schicht. Etwas Weißes, Durchsichtiges, Geisterhaftes, das sich erhob und neben dem am Boden liegenden Torso stehenblieb.
Vor Staunen vergaß ich zu atmen. Diesen Geist, der den Torso verlassen hatte, kannte ich. In meiner Vision auf dem Balkon des Hotels.
Der Geist ähnelte einem der Priester, die hinter dem Altar gestanden und das Mädchen geopfert hatten.
Sekundenlang war er existent, dann verwehte er wie ein Hauch. Er
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