0095 - Am Mittag vor dem großen Coup

noch. Wir haben einen Fingerabdruck auf dem Knauf gefunden. Am Griff selbst ist nichts zu machen in dieser Hinsicht. Er ist viel zu rauh, als daß dort ein klarer Abdruck Zurückbleiben könnte.«
    »Immerhin, Roy! Ein Abdruck'kann uns schon sehr viel helfen.«
    »Sicher, Chef.«
    »Noch etwas, Roy?«
    »Ja, Chef. Billys Brieftasche fehlt. Jedenfalls hatte er keine bei sich, so daß wir zunächst einmal feststellen müssen, ob er an diesem Morgen überhaupt eine Brieftasche bei sich trug.«
    »Das hatte er, Roy. Ich gab ihm drei persönliche Schreiben an den Commissioner der Stadtpolizei. Er legte sie vor meinen Augen in seine Brieftasche und steckte die kleine Ledermappe in das linke innere Fach seines Jacketts. Warten Sie mal, ich will eben Rückfrage halten, ob Billy die Briefe tatsächlich übergeben hat.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Mr. High wieder in die Leitung geschaltet wurde.
    »Kein Zweifel, Roy!« versicherte der Chef. »Billy hatte seine Brieftasche auch noch, als er den Commissioner verließ. Der Commissioner erinnert sich genau, daß ihm Billy die Briefe aus seiner Brieftasche gab und die Mappe danach sofort wieder in die innere Rocktasche steckte.« Also doch die Brieftasche! dachte Roy. So ein Irrsinn! Was war in Billys Brieftasche gewesen, was den Gangstern einen Mord wert sein konnte…?
    ***
    Wir wechselten die Magazine in unseren Maschinenpistolen aus. Dann holten wir noch einmal tief Luft.
    Und dann sprangen wir vier gleichzeitig auf die Beine und jagten die leibhaftige Hölle nach hinten. Sogleich setzte hinten ein Mordsgeschrei ein. Wir hörten das überstürzte Trappeln von einigen Füßen.
    Ich sprang über das Bierfaß. Phil über die Truhe und über den Kopf des dahinter liegenden Verwundeten. Kein einziger Schuß fiel mehr von seiten der Gangster.
    Je weiter man in den Flur vordrang, desto düsterer wurde er. Als wir die Ecke erreicht hatten, wo der Flur sich nach rechts und links gabelte, sprang mich plötzlich ein Kerl an, von dem ich nur die weit aufgerissenen Augen erkennen konnte. Er riß seine Pistole hoch. Ich knallte ihm den Lauf der Tommy Gun auf den Unterarm, daß seine Kanone im hohen Bogen durch die Luft wirbelte.
    »Schluß jetzt!« brüllte ich in den Gang hinein, der auf meiner Seite lag.
    Phil rief ähnliche Ermunterungen nach rechts. »Hände hoch und einzeln herauskommen!«
    Einen Augenblick lang blieb alles still. Dann kamen sie anmarschiert. Schön säuberlich die Hände auf dem Kopf gefaltet.
    »Die haben ihre Köpfe auch nur, damit sie einen Hut aufsetzen können«, murmelte einer meiner Kollegen. »Sonst hätten sie sich den ganzen Zauber erspart.« Wir klopften sie rasch, aber gründlich nach Waffen ab. Sechs Mann waren verwundet. Kein einziger hatte dran glauben müssen. Sie konnten von Glück reden. Aber wir hatten auch nie bewußt auf sie gezielt. Unsere Absicht war es immer nur gewesen, sie durch unsere Garben in Deckung zu zwingen, damit wir selbst weiter vorgehen konnten.
    Als wir sie alle vor dem Haus in einer Reihe versammelt hatten, fragte ich: »Wer ist der Wirt?«
    Jetzt war der Bursche zu feige, sich zu melden. Dafür blickten die anderen alle zu ihm hin, so daß es ein leichtes war, auch ohne seine Antwort den Richtigen zu entdecken.
    »Und wer ist der Boß eurer Gang?« Die Köpfe blieben in der gleichen Richtung.
    »Na schön«, sagte ich und besah mir den entsprechenden Mann genauer. »Ohne den Feuerzauber ging es wohl nicht, was? Mann, für wie stark halten Sie sich eigentlich? Glauben Sie im Ernst, ein vom FBI umstelltes Ganghome hat noch die geringsten Aussichten?«
    Er sagte nichts. Auf einmal machte er einen ausgesprochen geknickten Eindruck. Ich schüttelte stumm den Kopf.
    Typische Gangsterfiguren: brutal, verschlagen und jämmerlich feige, sobald es ihnen an den Kragen geht.
    »Organisierter Widerstand gegen die Staatsgewalt war das«, konstatierte ich trocken. »War nett von euch, uns so weit entgegenzukommen. Wir hatten nämlich nur eine kleine Befragung mit euch vor. Wir hätten lediglich einem einzigen von euch einen Einbruch nachweisen können. Alle anderen wären morgen wieder auf freiem Fuß gewesen. Jetzt sieht die Sache anders aus. Landfriedensbruch, organisierter Widerstand gegen die Staatsgewalt — darauf dürfte es einige Jährchen für jeden von euch geben. Der Wirt kommt mit, die anderen klettern schön auf den geschlossenen Lastwagen, der dort drüben steht. Sollte noch jemand mit Fluchtgedanken spielen, mag er sich