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0099 - Hexennacht

0099 - Hexennacht

Titel: 0099 - Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traute Maahn
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Sie umsonst in der Gegend herumkurve, wie?« Zornig wollte der Driver aussteigen, doch da streckte Harriet den Arm aus und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie sah ihm böse in die Augen. »Bleiben Sie sitzen«, befahl sie.
    Der Driver wurde plötzlich von einer unerklärlichen Angst befallen.
    Harriet haßte diesen Mann, weil er ihr Ungelegenheiten machte.
    Sie hatte auf einmal das Gefühl, daß ihre Fingernägel scharfe Feilen waren, und es schien auch zuzutreffen: Dort, wo sie ihre Hand auf das schweißdurchtränkte Hemd des Mannes gelegt hatte, gruben sich ihre Fingernägel tief ein. Sie roch das Blut und drückte noch fester zu.
    »Sie bekommen kein Geld von mir«, drohte Harriet. Sie leckte sich über die Lippen. Mit Genuß sah sie zu, wie der Mann immer bleicher wurde.
    »Lassen Sie mich los, Miß«, ächzte er.
    Harriet Gilbert neigte sich tiefer. »Von einer Harriet Gilbert verlangt man kein Geld!« sagte sie scharf.
    Mit der anderen Hand fuhr sie nun auch durch das offene Wagenfenster und legte sie dem Mann auf die Brust.
    »Miß, was tun Sie mit mir?«
    Harriet Gilbert hatte sich noch nie in ihrem Leben so gefühlt wie jetzt. Ihr war eine große, vernichtende Kraft in die Hände gegeben, aber das hier war nur ein Test…
    Sie zog ihre Hand von der Brust des Mannes zurück. Der Mann sackte tot zur Seite auf den Beifahrersitz.
    Harriet beachtete den Driver nicht mehr. Sie ging wie unter Hypnose stehend auf den Strand zu. Die Menschen erkannten sie nicht. Als ein Springbrunnen in Sicht kam, blieb sie stehen und wusch sich die Hände.
    Über eine Stunde stapfte sie durch den weißen Sand. Ihrer Sandalen hatte sie sich entledigt.
    Schließlich ließ sie sich niederfallen.
    Licht flimmerte vor ihren Augen. Als sie sich hinstrecken wollte, stieß sie gegen einen Knochen. Sie blickte sich um.
    Da waren sie alle — im Halbrund saßen sie um sie herum — die Hexen von Boston.
    »Ihr?« stotterte Harriet.
    Radegonde richtete sich auf. »Für den Anfang war es schon ganz gut. Der Mann ist tot. Aber du bist noch keine Hexe, sondern erst eine Anwärterin. Du mußt uns noch mehr Tribute zollen.«
    Harriets Verstand war hellwach. Sie wußte auch, daß es keine Menschen waren, mit denen sie sprach, sondern dämonengleiche Unwesen aus dem Reich der Finsternis. Bestien, die Menschengestalt annehmen konnten — doch sie empfand keine Furcht vor ihnen. Nicht jetzt, nicht bei diesem Sonnenschein.
    »Was wollt ihr noch von mir?« fragte sie. »Welchen Tribut meint ihr?«
    »Erst wenn das Böse ganz von dir Besitz ergriffen hat«, flüsterte Radegonde, »nehmen wir dich in unsere Reihen auf. Sie haben dir den Laufpaß gegeben. Du bist keine Schauspielerin mehr!«
    »Weil ihr die reine Haut meines Halses zerstört habt«, sagte Harriet. »Und weil ich kein Spiegelbild mehr habe. Außerdem… außerdem kann ich nicht mehr fotografiert werden.«
    Harriet Gilbert sprach leidenschaftslos. Es war nicht mehr wichtig für sie, ihren Ruhm aufzugeben. Viel wichtiger war es, sich an den Verantwortlichen zu rächen.
    Sie brauchte es nicht auszusprechen — die Hexen errieten es.
    »Räche dich«, sagten sie im Chor. »Vernichte sie. Sie haben dich beleidigt und gedemütigt. Du mußt sie alle töten und ihnen deinen Haß zeigen. Aber wir brauchen einen Tribut.«
    »Was meint ihr bloß damit?« Harriet fühlte sich auf seltsame Weise losgelöst von der Erde, frei wie ein Vogel. Ihr Herz war eine brennende Fackel des Hasses.
    Sie spürte ihren Körper nicht, nur das Herz. Und das loderte wie eine helle Flamme. Sie schien nur aus diesem Herzen zu bestehen, das so prall angefüllt war mit der Gier nach Vernichtung.
    »Wir wollen ein junges Mädchen«, waberte es im Chor. »Wir brauchen es, um immer wieder aus der Finsternis auftauchen zu können auf diese Erde. Besser wären zwei junge schöne Geschöpfe, aber sie dürfen noch keine Kinder geboren haben. Wirst du sie uns als Tribut opfern?«
    Harriet begriff immer noch nicht.
    »Was werdet ihr mit ihnen tun?« erkundigte sie sich sachlich. »Tötet ihr sie?«
    Radegonde hob gebieterisch den Knochenarm. »Die Körper der beiden Mädchen werden für uns hinterher wertlos geworden sein«, berichtete sie. »Wir brauchen nur ihren Lebenssaft.«
    »Ich wüßte da schon jemand«, murmelte Harriet.
    Und sie dachte an die Szene im Vorführraum, als Don Kelly sich den Filmstreifen noch einmal vorführen ließ.
    Sein Interesse hatte diesem Starlet June Atkins gegolten, die als Komparsin der Badeszene

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