01_Der Fall Jane Eyre
verbunden ist.
Hätte ich das verdammte Ding über dem Ellbogen verloren, hätte ich
dumm dagestanden.« Er schwieg einen Moment und kehrte dann zu
seinem Ausgangsthema zurück.
»Ich mache mir ein wenig Sorgen, daß die Regierung aufgrund des
öffentlichen Drucks noch vor der Offensive den Geldhahn zudreht.«
»Offensive?«
Colonel Phelps lächelte. »Na sicher. Freunde an höchster Stelle
haben mir versichert, daß die erste Lieferung der neuen
Plasmagewehre schon in wenigen Tagen eintrifft. Glauben Sie, die
Russen haben Stonk etwas entgegenzusetzen?«
»Ehrlich gesagt, nein; es sei denn, sie haben eine eigene Version.«
»Auf keinen Fall. Goliath baut die modernsten Waffen der Welt.
Glauben Sie mir, ich hoffe genau wie jeder andere, daß wir es niemals
einsetzen müssen, aber Stonk ist der entscheidende Durchbruch, auf
den dieser Konflikt gewartet hat.«
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Er kramte in seiner Aktentasche und holte ein Faltblatt daraus
hervor.
»Ich mache eine Vortragsreise durch ganz England und setze mich
für die Krim ein. Ich möchte, daß Sie mich begleiten.«
»Ich glaube eigentlich nicht …«, begann ich, nahm das Faltblatt
aber trotzdem.
»Unsinn!« erwiderte Colonel Phelps. »Als gesunde und erfolgreiche
Veteranin des Feldzuges ist es Ihre Pflicht, für die einzutreten, die das
letzte Opfer gebracht haben. Wenn wir die Halbinsel zurückgeben,
wird jeder einzelne dieser tapferen Kameraden umsonst gestorben
sein.«
»Mit Verlaub, Sir, aber diese Menschen sind bereits gestorben, und
daran wird nichts und niemand mehr etwas ändern.«
Er tat, als hätte er mich nicht gehört, und ich verfiel in Schweigen.
Colonel Phelps’ fanatischer Einsatz war seine Art, mit dem Desaster
umzugehen, an dem wir beide beteiligt gewesen waren. Wir hatten
Order erhalten, gegen einen vermeintlichen »Scheinwiderstand«
vorzugehen, der sich jedoch als massierte russische Feldartillerie
entpuppte. Phelps hatte in der Ausstiegsluke des TTP gesessen, bis die
Russen aus allen Rohren feuerten; ein Granattreffer riß ihm den
Unterarm ab und spickte ihm den Rücken mit Splittern. Wir packten
ihn mit so vielen anderen Soldaten wie möglich hintenrein und
kehrten mit einem Laderaum voll stöhnender Leiber zu den englischen
Linien zurück. Sämtliche Befehle mißachtend, fuhr ich noch einmal
an die Front und suchte in dem Chaos aus Trümmern und Metall nach
Überlebenden. Von den 76 TTP und Panzern unserer Brigade kamen
nur zwei Fahrzeuge zurück. Von den 534 beteiligten Soldaten
überlebten 51, davon nur 8 unverletzt. Unter den Toten war auch
Anton Next, mein Bruder. Desaster war da noch geschmeichelt.
Zu meinem Glück dockte das Luftschiff kurz darauf an, und es gelang
mir, Colonel Phelps im Empfangsgebäude abzuhängen. Ich nahm
meinen Koffer vom Laufband und schloß mich auf der Damentoilette
ein, bis ich sicher sein konnte, daß er gegangen war. Ich riß sein
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Faltblatt in winzige Fetzen und spülte sie ins Klo. Als ich herauskam,
war das Gebäude verlassen. Für das geringe Verkehrsaufkommen war
der Flughafen viel zu groß; eine Investitionsruine, welche die
zerschlagenen Hoffnungen der Swindoner Stadtplaner widerspiegelte.
Auch die Wartehalle war bis auf ein Studentenpärchen mit einem
Antikrimkriegstransparent menschenleer. Sie hatten von Phelps’
Ankunft läuten hören und hofften, ihn von seiner Kriegstreiberei
abbringen zu können. Sie hatten keine Chance, aber nutzten sie.
Als sie mich ansahen, wandte ich mich eilig ab. Wenn sie wußten,
wer Phelps war, kannten sie womöglich auch mich. Vor dem Terminal
war alles leer. Ich hatte mit Victor Analogy – dem Leiter der
Swindoner LiteraturAgenten – telefoniert, und er hatte mir angeboten,
mich abholen zu lassen. Doch der Wagen war nicht gekommen.
Da mir heiß war, zog ich meine Jacke aus. Über Lautsprecher
wurden nicht vorhandene Autofahrer in regelmäßigen Abständen
ermahnt, nicht in der verlassenen Halteverbotszone zu parken, und ein
gelangweilter Flugplatzangestellter schob ein paar Gepäckwagen
vorbei. Ich setzte mich neben eine Will-Speak-Maschine am Ende der
Wartehalle. Bei meiner letzten Reise nach Swindon hatte der
Flugplatz noch aus nichts weiter als einer großen Wiese mit einem
rostigen Mast darauf bestanden. Und das war vermutlich nicht das
einzige, was sich verändert hatte.
Ich wartete fünf Minuten, dann stand ich auf und lief ungeduldig hin
und her. Die Rezitiermaschine – ein sogenannter
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