Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
Vom Netzwerk:
verbunden ist.
    Hätte ich das verdammte Ding über dem Ellbogen verloren, hätte ich
    dumm dagestanden.« Er schwieg einen Moment und kehrte dann zu
    seinem Ausgangsthema zurück.
    »Ich mache mir ein wenig Sorgen, daß die Regierung aufgrund des
    öffentlichen Drucks noch vor der Offensive den Geldhahn zudreht.«
    »Offensive?«
    Colonel Phelps lächelte. »Na sicher. Freunde an höchster Stelle
    haben mir versichert, daß die erste Lieferung der neuen
    Plasmagewehre schon in wenigen Tagen eintrifft. Glauben Sie, die
    Russen haben Stonk etwas entgegenzusetzen?«
    »Ehrlich gesagt, nein; es sei denn, sie haben eine eigene Version.«
    »Auf keinen Fall. Goliath baut die modernsten Waffen der Welt.
    Glauben Sie mir, ich hoffe genau wie jeder andere, daß wir es niemals
    einsetzen müssen, aber Stonk ist der entscheidende Durchbruch, auf
    den dieser Konflikt gewartet hat.«

    - 89 -
    Er kramte in seiner Aktentasche und holte ein Faltblatt daraus
    hervor.
    »Ich mache eine Vortragsreise durch ganz England und setze mich
    für die Krim ein. Ich möchte, daß Sie mich begleiten.«
    »Ich glaube eigentlich nicht …«, begann ich, nahm das Faltblatt
    aber trotzdem.
    »Unsinn!« erwiderte Colonel Phelps. »Als gesunde und erfolgreiche
    Veteranin des Feldzuges ist es Ihre Pflicht, für die einzutreten, die das
    letzte Opfer gebracht haben. Wenn wir die Halbinsel zurückgeben,
    wird jeder einzelne dieser tapferen Kameraden umsonst gestorben
    sein.«
    »Mit Verlaub, Sir, aber diese Menschen sind bereits gestorben, und
    daran wird nichts und niemand mehr etwas ändern.«
    Er tat, als hätte er mich nicht gehört, und ich verfiel in Schweigen.
    Colonel Phelps’ fanatischer Einsatz war seine Art, mit dem Desaster
    umzugehen, an dem wir beide beteiligt gewesen waren. Wir hatten
    Order erhalten, gegen einen vermeintlichen »Scheinwiderstand«
    vorzugehen, der sich jedoch als massierte russische Feldartillerie
    entpuppte. Phelps hatte in der Ausstiegsluke des TTP gesessen, bis die
    Russen aus allen Rohren feuerten; ein Granattreffer riß ihm den
    Unterarm ab und spickte ihm den Rücken mit Splittern. Wir packten
    ihn mit so vielen anderen Soldaten wie möglich hintenrein und
    kehrten mit einem Laderaum voll stöhnender Leiber zu den englischen
    Linien zurück. Sämtliche Befehle mißachtend, fuhr ich noch einmal
    an die Front und suchte in dem Chaos aus Trümmern und Metall nach
    Überlebenden. Von den 76 TTP und Panzern unserer Brigade kamen
    nur zwei Fahrzeuge zurück. Von den 534 beteiligten Soldaten
    überlebten 51, davon nur 8 unverletzt. Unter den Toten war auch
    Anton Next, mein Bruder. Desaster war da noch geschmeichelt.

    Zu meinem Glück dockte das Luftschiff kurz darauf an, und es gelang
    mir, Colonel Phelps im Empfangsgebäude abzuhängen. Ich nahm
    meinen Koffer vom Laufband und schloß mich auf der Damentoilette
    ein, bis ich sicher sein konnte, daß er gegangen war. Ich riß sein

    - 90 -
    Faltblatt in winzige Fetzen und spülte sie ins Klo. Als ich herauskam,
    war das Gebäude verlassen. Für das geringe Verkehrsaufkommen war
    der Flughafen viel zu groß; eine Investitionsruine, welche die
    zerschlagenen Hoffnungen der Swindoner Stadtplaner widerspiegelte.
    Auch die Wartehalle war bis auf ein Studentenpärchen mit einem
    Antikrimkriegstransparent menschenleer. Sie hatten von Phelps’
    Ankunft läuten hören und hofften, ihn von seiner Kriegstreiberei
    abbringen zu können. Sie hatten keine Chance, aber nutzten sie.
    Als sie mich ansahen, wandte ich mich eilig ab. Wenn sie wußten,
    wer Phelps war, kannten sie womöglich auch mich. Vor dem Terminal
    war alles leer. Ich hatte mit Victor Analogy – dem Leiter der
    Swindoner LiteraturAgenten – telefoniert, und er hatte mir angeboten,
    mich abholen zu lassen. Doch der Wagen war nicht gekommen.
    Da mir heiß war, zog ich meine Jacke aus. Über Lautsprecher
    wurden nicht vorhandene Autofahrer in regelmäßigen Abständen
    ermahnt, nicht in der verlassenen Halteverbotszone zu parken, und ein
    gelangweilter Flugplatzangestellter schob ein paar Gepäckwagen
    vorbei. Ich setzte mich neben eine Will-Speak-Maschine am Ende der
    Wartehalle. Bei meiner letzten Reise nach Swindon hatte der
    Flugplatz noch aus nichts weiter als einer großen Wiese mit einem
    rostigen Mast darauf bestanden. Und das war vermutlich nicht das
    einzige, was sich verändert hatte.
    Ich wartete fünf Minuten, dann stand ich auf und lief ungeduldig hin
    und her. Die Rezitiermaschine – ein sogenannter

Weitere Kostenlose Bücher