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01_Der Fall Jane Eyre

01_Der Fall Jane Eyre

Titel: 01_Der Fall Jane Eyre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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wäre
    Felix8 nicht gewesen, der, das Gesicht noch kaum verheilt, inmitten
    der Narzissen stand und ein wachsames Auge auf seine
    Schutzbefohlenen hatte. Um Mycroft für seine Sache zu begeistern,
    hatte Acheron ihm erlaubt, in Wordsworths Daffodils einzusteigen
    und seine Frau zu besuchen.
    »Geht es dir gut, meine Liebe?«
    Polly deutete verstohlen auf die Gestalt im Umhang.
    »Mir geht es bestens, und es ginge mir noch besser, wenn sich Mr.
    W. nicht für einen Herzensbrecher halten würde. Er denkt wohl, er
    wäre das Geschenk Gottes an die Frauen der Welt. Er hat mich schon

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    dreimal eingeladen, ihn in ein paar unveröffentlichte Werke zu
    begleiten. Die eine oder andere blumige Phrase, und er denkt, ich
    schmelze dahin.«
    »So ein Schuft!« rief Mycroft und stand auf. »Am liebsten würde
    ich ihm eins auf die Nase geben!«
    Polly legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm, und er setzte sich
    neben sie. Dennoch: Bei dem Gedanken, daß ihr über siebzigjähriger
    Gemahl und Wordsworth sich um sie prügeln könnten, überlief Polly
    ein Schauder der Erregung – damit würde sie beim nächsten Treffen
    des Hausfrauenbundes bestimmt Eindruck machen.
    »Also, wirklich …!« sagte Mycroft. »Diese Dichter sind doch üble
    Schürzenjäger.« Er hielt inne. »Du hast hoffentlich nein gesagt?«
    »Aber natürlich.«
    Sie schenkte Mycroft ihr bezauberndstes Lächeln, doch er war schon
    wieder ganz woanders.
    »Bleib in den Daffodils , sonst weiß ich nicht, wo ich dich suchen
    soll.«
    Er nahm ihre Hand, und sie blickten gemeinsam hinaus auf den See.
    Der erstreckte sich uferlos, so weit das Auge reichte, und die
    Kieselsteine, die Wordsworth träge ins Wasser schnippte, sprangen
    kurz darauf wieder an Land. Sonst war alles wie in Wirklichkeit.
    »Ich habe etwas ziemlich Dummes getan«, gestand Mycroft
    plötzlich, senkte den Blick und strich mit der flachen Hand über das
    Gras.
    »Wie dumm?« fragte Polly eingedenk der prekären Situation.
    »Ich habe das Chuzzlewit -Manuskript verbrannt.«
    » Was hast du gemacht? Sag das noch mal!«
    »Ich habe gesagt …«
    »Das habe ich gehört. So ein Originalmanuskript ist doch von
    unschätzbarem Wert. Wie konntest du so etwas tun?«
    Mycroft seufzte. Er hatte keineswegs leichtfertig gehandelt.

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    »Ohne das Originalmanuskript«, erklärte er, »läßt sich der Roman
    nicht so leicht zerstören. Ich habe dir doch erzählt, daß dieser
    Wahnsinnige Mr. Quaverley aus dem Buch geholt und ermordet hat.
    Dabei hätte er es bestimmt nicht belassen. Wer wäre wohl als nächstes
    an der Reihe gewesen? Mrs. Gamp? Mr. Pecksniff? Martin
    Chuzzlewit selbst? Ich habe der Welt vermutlich einen Gefallen
    getan.«
    »Und die Verbrennung des Manuskripts macht dem ein Ende?«
    »Natürlich; ohne Originalmanuskript keine Massenzerstörung.« Sie
    drückte seine Hand, als ein Schatten auf die beiden fiel.
    »Die Zeit ist um«, sagte Felix8.

    Mit meinen Vorhersagen zu Acherons Machenschaften hatte ich
    zugleich richtig und falsch gelegen. Wie Mycroft mir später erzählte,
    war Hades außer sich vor Wut, als er feststellte, daß niemand ihn ernst
    genommen hatte, aber Mycrofts Vernichtung des Chuzzlewit Manuskripts fand er geradezu witzig. Obwohl er es nicht gewohnt
    war, hinters Licht geführt zu werden, schien er die ungewohnte
    Erfahrung fast zu genießen. Statt ihm die Glieder einzeln auszureißen,
    wie Mycroft befürchtet hatte, schüttelte Acheron ihm die Hand.
    »Gratuliere, Mr. Next«, sagte er lächelnd, »zu Ihrer ebenso tapferen
    wie einfallsreichen Tat. Tapfer, einfallsreich, aber leider völlig
    zwecklos. Meine Wahl ist nämlich keineswegs zufällig auf Chuzzlewit
    gefallen.«
    »Ach nein?« entgegnete Mycroft scharf.
    »Nein. Ich mußte das Buch in der Schule lesen und habe das
    Scheißding aus tiefstem Herzen gehaßt. Diese endlosen,
    moralinsauren Suaden über Selbstsucht und Egoismus. Ich finde
    Chuzzlewit nur unwesentlich spannender als Unser gemeinsamer
    Freund. Selbst wenn die Übergabe glattgegangen wäre, hätte ich ihn
    umgebracht, und zwar mit dem allergrößten Vergnügen.«
    Er hielt inne, lächelte Mycroft an und fuhr dann fort: »Dank Ihres
    mutigen Eingreifens kann Martin Chuzzlewit seine Abenteuer

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    fortsetzen. Mrs. Todgers’ Pension wird nicht niederbrennen, und sie
    können ihr langweiliges Leben ungestört fortsetzen.«
    »Das freut mich«, sagte Mycroft.
    »Sparen Sie sich Ihre Gefühle, Mr. Next, ich bin noch nicht

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