01 - Ekstase der Liebe
der Adeligen verbringen die
meiste Zeit des Jahres auf den Landgütern. Wir sind nur während der Saison in
London höchstens ein halbes Jahr. Wohingegen arme Kinder diese Luft die ganze
Zeit einatmen.« Sie deutete mit der Hand in den Himmel. »Ich verbringe viel
Zeit damit, mir über das Licht Gedanken zu machen«, sagt sie, »und Sie haben
keine Vorstellung davon, wie anders es hier ist als auf dem Land. In der Stadt
ist es fast nie wirklich hell.«
Alex
betrachtete Charlotte mit neuem Respekt. Sie hatte ihn gerade mit ihren
Argumenten geschlagen. Eine kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn. Warum
verbrachte sie viel Zeit damit, sich Gedanken über das Licht zu machen?
Er
würde wetten, dass sie gerade nicht über Licht nachdachte. Sie hatte den Kopf
zurückgeworfen, so dass ihr weißer, schlanker Hals zu sehen war, und ihre Augen
waren geschlossen. Genauso würde sie aussehen, wenn sie auf ihm ritt, ihre
Locken hemmungslos zurückgeworfen.
»Woran
denken Sie gerade?«, fragte er mit rauer Stimme. Er strich ihr mit dem Finger
über die Stirn, die kleine gerade Nase, und hielt bei ihren Lippen inne.
Charlotte
öffnete die Augen. »An die Rosen«, erwiderte sie. »Sie haben einen so warmen
Duft. Warum kann ein Geruch heiß sein oder kalt? Aber dieser Duft ist warm.«
Alex
dachte eine Minute lang darüber nach. »Ich nehme an«, sagte er ziemlich
zweifelnd, »heiße Schokolade riecht warm.«
Charlotte
lachte, ein wundervoller, fröhlicher Klang, dachte er. »Das meine ich nicht!
Ich habe an Blumen gedacht. Fresien zum Beispiel riechen kalt.«
»Hm.«
Alex fahr mit dem Finger über ihr Kinn hinunter zu ihren Schlüsselbeinen. Er
beugte sich vor und schnupperte geräuschvoll an ihr. »Sie riechen ...«, er
hielt herausfordernd inne. Sie kicherte. Er war so nah, dass sie seinen Atem
auf ihren Wangen spürte. »Sie riechen warm«, sagte er schließlich. »Sehr warm.
Und leicht nach Orangenblüten.«
»Se hr
klug«, meinte Charlotte beifällig.
»Ich
habe einmal in einem Garten ein Mädchen getroffen, das nach Lavendel roch, und
bis jetzt war das mein liebster Duft.« Er beugte sich so weit vor, dass seine
Lippen ihre beinah berührten. Dann schnupperte er noch einmal lautstark an ihr.
Sie kicherte wieder. »Ich glaube ...« Seine Lippen berührten jetzt ihre,
federleicht. »Ich glaube, meine neue Vorliebe gilt Orangenblüten.«
Charlotte
bebte leicht, doch Alex zog sich zurück. Er konnte sie nicht hier unter den
Augen der Vicomtesse Dewland, geschweige denn vor Sophies Bande von Kavalieren,
küssen. Im Mondschein waren seinen Augen pechschwarz, schwärzer als die Nacht,
dachte Charlotte. Sie fühlte sich wie ein hypnotisiertes Kaninchen, das den
Blick nicht von ihm abwenden konnte. Alex stand auf und zog sie auf die Füße.
Er schien keine Schwäche zu verspüren, dachte sie und fühlte sich gedemütigt.
»Lassen
Sie uns nachsehen, was Mr Glister mit den Feuerwerkskörpern anstellt? Ihre
Mutter wird sich bald um Sie Sorgen machen.«
Mr
Glister hatte sein Lager am Ende des Gartens aufgeschlagen. »Damit ich keinen
verbrannten Fleck mache«, erklärte er mit ernster Miene. »Weil diese Gärten
hier sind sehr schön, wirklich sehr schön, und ich möchte nicht, dass sie einen
Makel hegen, nein, nein.«
Der
Lakai, der hinter ihm stand, verdrehte die Augen. Charlotte unterdrückte ein
Lächeln. Alex hatte ihre Hand genommen, als wäre das das Natürlichste auf der
Welt, und während sie sich mit Mr Glister über die technischen Probleme, ein
Feuerwerk ohne eine Plattform aufzubauen, unterhielten, genoss Charlotte die
Wärme seiner Hand. Sie war so groß. Ihre Finger zitterten und sie fürchtete, er
könnte es merken, deshalb strich sie ihm mit dem Daumen über sein Handgelenk.
Er zeigte sich sehr erfreut und verstärkte sofort seinen Griff, ohne das
Gespräch mit Mr Glister zu unterbrechen. Charlotte dagegen konnte an nichts
anderes als seine Finger denken, die begonnen hatten, ihre Hand langsam und
sinnlich zu massieren. Sie versuchte freundlich interessiert dreinzuschauen,
obwohl sie tatsächlich kein einziges Wort hörte, das Mr Glister von sich gab.
Schließlich
sagte Mr Glister: »Aye, Sir, aye. Es wird jetzt noch ein bisschen Zeit dauern.
Warum sagen Sie nicht allen da oben im Haus Bescheid, dass sie aus den Fenstern
sehen. Und das kleine kranke Kind auch.«
Alex
steckte Charlottes Arm unter seinen und drehte sie lächelnd zum Haus. Das war
auch nicht besser, dachte Charlotte verzweifelt. Er hielt
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