01 - Hexenpower
Vorwort, umgeben von Zeichen und Runen. Die Neugier übermannte sie, und sie las: »So höret die Worte der Hexen, die Geheimnisse, die wir der Nacht anvertrauen. Die alten Götter werden hier gerufen, die großen Taten der Magie beschworen. Zu diesem Tage, dieser Stunde, rufe ich die düstere Kunde. Bring die neue Macht herbei, die Macht der Schwestern, die Macht der Drei!«
Phoebe hielt den Atem an. Das Ganze wurde jetzt langsam heftig. Entweder war sie auf einen uralten Halloween-Scherz gestoßen, oder hier ging etwas wirklich Abgefahrenes vor ...
Auf einmal schien der Boden leicht zu vibrieren, als ob das Haus aus einem langem Schlaf erwachte und sich nun müde regte. Der große Kronleuchter im Wohnzimmer wurde von einem überirdischen blauen Schimmer überzogen, und kleine Lichter, Elfen gleich, tanzten um seine kristallenen Tränen. Unbemerkt von den drei Halliwell-Schwestern geschah noch etwas: Ihr vor einem Jahr aufgenommenes Familienfoto auf dem Kaminsims veränderte sich. Hatten die drei jungen Frauen mit klarem Abstand zueinander und grimmigen Mienen für dieses Bild posiert, so schienen magische Kräfte sie nun näher zusammenzurücken. Nach einigen Sekunden standen sie sich so nah, wie sie es im wirklichen Leben seit Jahren nicht mehr gewesen waren.
Piper und Prue hatten sich nach der erfolglosen Hantiererei mit den Sicherungen entschlossen, nach Phoebe zu sehen, als sie die Vibrationen des Hauses spürten. Als sie den Speicher betraten, ging der Spuk gerade zu Ende. Sie fanden ihre jüngere Schwester mit dem Buch in der Hand vor.
»Was geht hier vor?« fragte Prue.
Phoebe drehte sich zu ihnen herum. »Ich lese. Eine Beschwörungsformel. Sie steht in dem >Buch der Schattem, das ich in dieser Kiste gefunden habe.«
»Gib her.« Piper griff nach dem Wälzer.
Prue war mißtrauisch. »Wie bist du hier reingekommen?«
Phoebe antwortete, als sei die Erklärung bereits ein Triumph für sich. »Die Tür hat sich von selbst geöffnet.«
Wie immer, wenn ihr etwas zu schnell ging, legte Prue den Kopf leicht schief. »Moment mal. Eine Beschwörungsformel? Was für eine Beschwörungsformel?«
Piper versuchte, aus dem Buch schlau zu werden. »Hier steht was von den drei Komponenten der Magie: die rechte Zeit, das rechte Gefühl und der Mond als Gefährte.«
Phoebe nickte aufgeregt. Soweit war sie auch schon gekommen. »Wenn wir das durchziehen wollen, ist jetzt die beste Zeit dafür - Mitternacht bei Vollmond.«
Prue kam immer noch nicht mit. »Was soll denn da passieren?«
Phoebe verschluckte sich fast vor Aufregung. »Wir bekommen ... unsere Kräfte.«
»Unsere Kräfte? Was denn für ... Moment mal, unsere Kräfte? Du hast mich da mit reingezogen?«
Piper mischte sich wieder ein, weil sie im Buch gerade an die entsprechende Stelle gekommen war. »Nein, Phoebe meint uns alle. Hier steht: >Bringt die Schwestern mit der Macht der Drei< - Das ist ein Buch über Hexerei.«
Prue nahm ihr das mysteriöse Werk aus der Hand. »Zeig mal her.«
Gemeinsam verließen die drei Schwestern den Dachstuhl.
»Ouija-Bretter, Hexerei - kaum vorstellbar«, murmelte Prue.
»Und das ganze Gruselzeug fing an, als Phoebe wiederkam«, bemerkte Piper.
»Hey«, protestierte Phoebe, »ich war nicht diejenige, die mit dem Ouija-Brett angerannt kam.«
»Das ist auch nicht wichtig«, unterbrach Prue, »denn es ist nichts wirklich passiert. Oder hast du was bemerkt, als du diese ... diese Beschwörung gelesen hast, Phoebe?«
Phoebe dachte einen Moment lang nach. »Na ja, mein Kopf drehte sich um die eigene Achse, und ich habe Erbsensuppe gespuckt ... Woher soll ich das denn wissen?«
Piper sah sich im Wohnraum um. »Es sieht auf jeden Fall alles normal aus.«
Prue stimmte ihr zu. »Und in das Haus werden wir noch einige Arbeit stecken müssen.«
Phoebe gönnte sich das Schlußwort. »Ich denke, alles ist wie vorher. Nichts hat sich verändert.«
Keine der Schwestern bemerkte das Foto auf dem Kaminsims, auf dem sie unerklärlicherweise näher zusammengerückt waren. Und weder Prue noch Piper noch Phoebe bemerkte den Mann, der im Regen vor dem Haus stand wie die Statue eines Dämons.
Er war da.
Denn bald würden die Halliwell-Schwestern ihm gehören.
Die Regenwolken hatten sich endlich verzogen. Es war ein strahlender Spätsommermorgen in San Francisco.
Nach den unheimlichen Ereignissen der letzten Nacht hatte sich Phoebe entschlossen, ihren Morgenkaffee auf der Treppe vor der Haustür zu trinken. Sie genoß die Aussicht
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