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01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis

Titel: 01 - Miss Daisy und der Tote auf dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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unschuldig oder sehr selbstsicher, dachte sich Alec, während der Graf das Zimmer verließ. Er hoffte nur, daß alles irgendeinen Sinn ergäbe, wenn er mit Lady Wentwater sprach.
    Der Diener brauchte eine Ewigkeit, um auf das Klingeln zu reagieren. Als er eintrat, folgte ihm ein Dienstmädchen, das ein schwer beladenes Tablett vor sich hertrug.
    »Auf Bitten von Miss Dalrymple, Sir«, tat er kund.
    »Gott segne sie!« Alec machte sich über die Teekanne her wie ein Ertrinkender in der Wüste.
    Piper kam auch herein. »Gab heute kein Mittagessen, Sir«, erklärte er, während er mehrere zierliche dreieckige Sandwiches mit Gentleman's Relish verdrückte.
    »Immerhin haben Sie gestern nacht mehr als zwei Stunden geschlafen«, grunzte Alec und goß sich eine zweite Tasse ein.
    Der Tee war kein labberiger Earl Grey, sondern ein anständiger Darjeeling, dessen kräftiges Aroma er auf Trings Gegenwart in der Küche zurückführte. Er spürte richtig, wie seine Lebensgeister wieder erwachten.
    Er fühlte sich also durchaus für alles gewappnet, als der Diener für Lady Wentwater die Tür aufriß. Dennoch raubte ihm ihre Schönheit dem Atem.
    Miss Dalrymple hatte ihm schon gesagt, daß sie jung und wunderschön war, aber eine solche Aphrodite, (deren Figur das modische, sackartige Teekleid aus Crêpe-de-Chine nicht verbergen konnte) hatte er nicht erwartet, und auch nicht das außerordentlich schöne Gesicht einer trauernden Madonna. Ihre dunklen, melancholischen Augen baten mit stiller Beredsamkeit um Mitleid. Alec wußte, daß er gegen diese positive Voreingenommenheit würde ankämpfen müssen, und gleichzeitig mußte er acht geben, deswegen das Steuer innerlich nicht zu sehr in die andere Richtung zu reißen.
    Kein Wunder, daß der Graf sie geheiratet hatte, daß Astwick ihr nachgestellt hatte, und daß Lady Marjorie auf sie eifersüchtig war. Lord Beddowes Abneigung könnte in stärkerem Maße in schlichter Eifersucht begründet sein, als er ahnte. Fenella Petrie war vor ihrer Sonn' die Kerze.
    Aber Lady Wentwater war wohl eher Mond als Sonne. Blaß vor Müdigkeit, stets den Himmel zu erklimmen und die Erde zu erleuchten ... Wer hatte das noch mal geschrieben? Shelley? Daisy Dalrymple war da eher Alecs Kragenweite. Sie war hübsch, wenn auch nicht wunderschön, fröhlich und handfest - wie die heilige Johanna, die sich in ihrem Schwung weder durch ein bescheidenes Einkommen noch durch die Gefahren des Krieges hatte bremsen lassen.
    Lady Wentwater mußte doch einigermaßen erleichtert sein, daß sie ihren hartnäckigen Verehrer los war. Oder hatte Miss Dalrymple die Lage falsch eingeschätzt, war die junge Gräfin aus freien Stücken Astwicks Geliebte gewesen und trauerte nun um ihn? Sie sah nicht kräftig genug aus, um ein Loch ins Eis zu schlagen, obwohl sie überdurchschnittlich groß war, und Verzweiflung konnte schließlich die Kraft eines Menschen unglaublich steigern.
    Als Alec sie begrüßte, schaute sie sich unruhig im Zimmer um.
    »Ich dachte ... Man hatte mir gesagt, daß Daisy hier ist. Miss Dalrymple.« Ihre Stimme war leise und weich, und es lag ein bittender Unterton darin.
    »Das war sie auch, aber mein Constable hat sie abgelöst. Hätten Sie gern jemanden bei sich? Eine andere Dame oder ihre Zofe vielleicht?«
    Sie biß sich auf die Unterlippe. »Miss Dalrymple, bitte, ob sie wohl zurückkommen könnte?«
    »Selbstverständlich, Lady Wentwater.« Er schickte den Diener los, sie zu holen, und während sie warteten, fragte er mit beträchtlicher Neugier: »Kennen Sie Miss Dalrymple schon lange?«
    »Ich hab sie gestern erst kennengelernt, aber sie ist sehr ... simpatica, wie man in Italien sagt. ich hab das Gefühl, sie ist schon jetzt meine Freundin.«
    Wenn eine Fremde so rasch zur Freundin werden konnte, dann mußte sich Lady Wentwater im Hause ihres Gatten ausgesprochen einsam fühlen. Konnte man es ihr verdenken? Ihr Mann und ihre Schwägerin zweifelten beide an ihrer Treue; ihr Stiefsohn verabscheute sie; und ihre Stieftochter betrachtete sie als Rivalin. Was auch immer sie getan haben mochte, Alec empfand großes Mitleid mit ihr.
    Er mußte sie warnen. »Es ist Ihnen bewußt, daß Miss Dalrymple mich in dieser Untersuchung aktiv unterstützt?«
    Sie nickte und brachte sogar ein zögerliches Lächeln zustande. »Ich glaube, Daisy würde sich mit vollem Elan in jede Situation hineinwerfen, in die sie gerät. Sie ist nicht der Typ, der sich einfach danebenstellt und den Dingen ihren Lauf läßt.«
    Ein

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