01 - Nicht ohne meine Tochter
uns, als ob wir uns nicht nah genug sein konnten. Die ganze Nacht lang schliefen wir eng umschlungen. Unser Leben war geschäftig und glücklich. Moody war ein guter Teilzeitvater für meine Kinder. Gemeinsam machten wir mit Joe und John Ausflüge in den Zoo oder Picknicks und fuhren oft nach Detroit zu Festen ethnischer Gruppen, auf denen wir Bekanntschaft mit der östlichen Kultur machten. Moody zeigte mir, wie man islamisches Essen kocht, das hauptsächlich aus Lammfleisch, Reis, der mit exotischen Saucen übergossen wird, und viel frischem Gemüse und Obst besteht. Meine Söhne, meine Freunde und ich fanden schnell Geschmack an diesem Essen.
Ohne es zu bemerken, gab ich mir immer mehr Mühe, ihm zu gefallen. Gern hielt ich seine Wohnung in Ordnung, kochte und kaufte für ihn ein. Bei seinem Junggesellenapartment war es dringend nötig, dass mal eine Frau Hand anlegte. Moody hatte selbst wenig Freunde, aber meine wurden schnell auch seine. Er besaß eine große Sammlung Witz- und Zauberbücher, und aus diesen Quellen schöpfte er, um sich bei gesellschaftlichen Zusammenkünften ganz natürlich und unaufdringlich zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu machen.
Mit der Zeit machte Moody mich mit einigen Grundregeln des Islam vertraut, und ich war beeindruckt, wie viele prinzipielle Vorstellungen er mit der jüdisch-christlichen Tradition gemeinsam hatte. Der islamische Allah ist dasselbe höchste Wesen, das ich und die anderen Mitglieder meiner Freien Methodistenkirche als Gott verehren. Die Moslems glauben, dass Moses ein von Gott gesandter Prophet war und die Thora das den Juden gegebene Gesetz Gottes ist. Sie glauben, dass auch Jesus ein Prophet Gottes war, und dass das Neue Testament ein heiliges Buch ist. Mohammed war nach ihrer Religion der letzte und bedeutendste Prophet, der direkt von Gott erwählt wurde. Sein Koran hat, als das jüngste heilige Buch, Vorrang vor dem Alten und dem Neuen Testament.
Wie Moody erklärte, ist der Islam in zahlreiche Sekten gespalten. Wie ein Christ ein Baptist, ein Katholik oder ein Lutheraner sein kann, können die religiösen Grundsätze einzelner Moslems sich beträchtlich voneinander unterscheiden. Moodys Familie gehörte zu den schiitischen Moslems, über die man im Westen kaum etwas weiß. Er erklärte mir, dass sie fanatische Fundamentalisten seien. Obwohl ihre Sekte im Iran sehr dominant war, hatten sie keinen Einfluss auf die pro-westlich eingestellte Regierung des Schahs. Moody praktizierte diese extreme Form des Islam, in der er erzogen worden war, nicht mehr. Obwohl er Schweinefleisch verschmähte, trank er doch gern ein Glas Alkohol. Nur manchmal holte er seinen Gebetsteppich hervor und verrichtete seine religiösen Pflichten.
Schon bald, nachdem ich zum Wochenende in Detroit angekommen war, klingelte das Telefon in Moodys Wohnung. Er sprach kurz mit dem Anrufer und sagte mir dann: »Es ist ein Notfall. Ich bin zurück, so schnell ich kann.« Kaum war er gegangen, rannte ich nach draußen zu meinem Auto und holte nacheinander Klappstühle herein, Kisten mit Geschirr und Weingläser und Platten mit persischem Essen, das ich zu Hause in Elsie vorbereitet hatte. Kurze Zeit später kamen Dr. Gerald White und seine Frau und brachten weitere Gerichte mit, die ich bei ihnen deponiert hatte, und außerdem die Torte, die ich extra bestellt hatte. Sie war mit einer rot-weiß-grünen iranischen Fahne und der in Farsi geschriebenen Aufschrift »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag« verziert. Andere Gäste strömten herein, zusammen waren es ungefähr dreißig, die ihre Ankunft zeitlich so geplant hatten, dass sie in Moodys arrangierte Abwesenheit fiel. Als er zurückkam, waren sie schon in Feierstimmung. »Überraschung!« jubelte die Menge. Er grinste über das ganze Gesicht, und seine Freude wurde noch größer, als wir »Happy Birthday« sangen. Er wurde neununddreißig Jahre alt, aber er reagierte mit der Begeisterung eines Schuljungen. »Wie habt ihr denn das bloß geschafft?« fragte er. »Ich kann nur staunen, wie ihr das hingekriegt habt.« Ich hatte das angenehme Gefühl, dass wirklich alles perfekt war; ich hatte ihn glücklich gemacht.
Immer mehr wurde dies zum eigentlichen Ziel meines Lebens. Als ich zwei Jahre mit ihm zusammen war, war er der Mittelpunkt meiner Gedanken geworden. Der Alltag verlor seine Faszination. Nur die Wochenenden schienen wichtig. Sogar meine Karrierepläne verblassten. Ich war in eine Position aufgerückt,
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