01 Nightfall - Schwingen der Nacht
verlaufen? «
»Mann! Zuerst Nomads und jetzt der restliche Abschaum aus der Bourbon Street. Dieser Laden hier verkommt immer mehr, wie es scheint!«
Dante warf den beiden Sprechern einen Blick zu. Es waren zwei Sterbliche mit Baseballkappen und fleckigen T-Shirts, die
an einem Tisch im hinteren Teil der Gaststätte hockten. Eine Wolke abgestandenen Rauchs hing über ihnen. Einer der Kerle lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah Dante an. Mit seinem hässlichen Grinsen wollte er Dante anscheinend signalisieren, er solle es ja nicht wagen, etwas zu entgegnen.
Zwei weitere Sterbliche standen um einen Billardtisch. Sie hatten Queues in der Hand und starrten Dante ebenfalls an. Einer von ihnen hatte einen Bierbauch, während der andere athletisch gebaut war. Ihn umgab eine spürbare Aura gewalttätiger Energie, durchsetzt mit einer gehörigen Dosis Testosteron.
»Schau dir den Kragen an«, meinte der Kraftprotz zum Bierbauch. »Leine sehe ich aber keine. Muss davongelaufen sein. Man sollte das Tierheim benachrichtigen.« Er lachte selbstzufrieden über seinen Witz und gab dem Bierbauch einen Stoß in die Seite. »Das Tierheim benachrichtigen, verstehst du?«
Dante sah in eine andere Richtung und schlängelte sich an den leeren Tischen und Stühlen vorbei zur Theke. Die Barfrau schaute auf, als er näherkam. In ihrem Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Besorgnis und Misstrauen. Sie war mit ihrer gebräunten Haut, den grünen mandelförmigen Augen und dem dunklen lockigen Haar eine typische Bewohnerin von New Orleans. Das wahre Herz Louisianas.
Sie berührte das Geschirrtuch, das sie über der Schulter hängen hatte. Auf den Regalen hinter ihr standen Flaschen mit Alkoholika, die teilweise ausgefallene Aufkleber und faszinierende Farben aufwiesen.
Dante blieb vor der Theke stehen und musterte die Flaschen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Frau. Auf ihrem Namensschild, das an ihrem KRÄHENNEST-T-Shirt hing, stand »Maria«.
»Tequila. Oder Bourbon. Was auch immer näher ist.« Dante fasste ihn die Jackentasche und holte ein Bündel zerknitterter Geldscheine heraus, das er auf die Theke warf.
»Geht es Ihnen gut? Ihre Nase blutet.«
»Kann ich mir irgendwo kurz das Gesicht waschen?«
»Klar.« Maria wies auf einen kurzen Gang auf der rechten Seite der Gaststätte.
Dante stieß sich von der Theke ab und ging einem Pfeil nach, auf dem TOILETTEN stand, bis er in ein heruntergekommenes Männerklo mit fleckigen Pissoirs, beschmierten Wänden und dem Gestank nach altem Urin kam.
Hoch über den Urinalen befand sich ein kleines Fenster, das zu klein war, um sich hindurchzuzwängen, wenn man seine Rechnung nicht bezahlen oder einer schrecklichen Verabredung entfliehen wollte. Dante ging zu dem angeschlagenen Waschbecken und drehte das Wasser auf. Er setzte die Sonnenbrille ab, die er sich vorne ins Shirt schob, ehe er die Hände unter dem Wasserstrahl rieb und sich über das Becken beugte und das Gesicht mit Wasser bespritzte.
Er stand innerlich in Flammen. Irgendwie erwartete er fast, das Wasser werde zischen und dampfen, wenn es ihn berührte. Doch stattdessen war es so kalt, dass es ihm fast den Atem nahm. Er hielt sich an den Seiten des Waschbeckens fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während rötliches Wasser in den Ablauf floss.
Dante? Mir ist kalt. Darf ich zu dir ins Bett?
Komm her, Prinzessin. Schmieg dich an mich. Ich würde dich ja in den Arm nehmen, aber …
Weshalb fesselt dich Papa Prejean denn nachts mit Handschellen?
Weil ich nachts nicht schlafe. Der Arsch glaubt, ich würde alle umbringen, wenn sie in ihren Betten liegen und schlafen.
Würdest du?
Ja. Wahrscheinlich.
Dante-Engel, wenn ich den Schlüssel finden und dich losmachen würde, würdest du mich dann mitnehmen, wenn du gehst?
Eine immer größer werdende Blutlache breitet sich um Chloes blasses Gesicht aus. Wie ein Heiligenschein. Ihre halboffenen Augen fixieren den Orca, der knapp außerhalb ihrer Reichweite liegt.
Ich würde nie ohne dich weggehen, Prinzessin. Nur du und ich …
Fleischerhaken, von Ketten umwickelte Fußknöchel, nackte Füße. Im Haken spiegelt sich Licht.
Für immer und ewig.
Wasser spritzte ins Becken und auf Dantes Fingerknöchel. Seine Muskeln zogen sich zusammen. Er starrte ins Becken.
Sie vertraute dir, Junge. Ich würde sagen, sie hat es nicht besser verdient.
Züngelnd griff quälender Schmerz nach seinem Herzen. Er hob den Kopf und musterte sich im Spiegel, ohne
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