01 Nightfall - Schwingen der Nacht
zimperlich.«
»Ich habe genügend andere Sorgen, als dass ich Sie auch noch halb schlafend durch Washington schleppen möchte, Von«, sagte Heather und lächelte. »Aber nochmal danke für das Angebot. Ich kann ganz gut auf mich aufpassen. Das habe ich schon mein ganzes Leben getan, ich weiß, wie das geht.«
Von grinste sie schalkhaft an. »Das glaube ich gern, Süße. Sehr gern.« Er zog die Sonnenbrille wieder auf seine Nase.
»Außerdem brauchen wir jemanden hier, falls ich mich irren sollte.«
»Sie wissen, dass Sie das nicht tun«, antwortete Von, klappte den Motorradständer hoch und ließ den Motor an. Die Harley begann, laut zu rumoren. »Guten Flug«, sagte er, »und eine noch bessere Jagd. Bringen Sie ihn heil wieder zurück, Süße.« Damit trat er die Gangschaltung nach unten und rumpelte davon.
Heather ging in den Flughafen, die Handtasche über der Schulter. Immer wieder hörte sie Vons Worte in ihrem Inneren: Ich weiß, Sie bedeuten ihm viel. In diesem Augenblick wusste sie, dass auch Dante eine Stimme brauchte – eine Stimme, die ihm endlich für seine vielen verlorenen Jahre, für
seine gestohlene, brutalisierte Kindheit und seine ermordete und dann achtlos weggeworfene Mutter Gerechtigkeit widerfahren ließ.
Dantes Leben hatte nie ihm gehört.
Dante hatte gesprochen, als er die Prejeans tötete. Er hatte mit den Monstern gesprochen, die sich in den Schatten verbargen, ihn beobachteten und alles aufnahmen. War Dante eine Stimme für Chloe gewesen?
Hatte er in der Gaststätte auch wieder gesprochen, als er verwirrt, mit gebrochenem Herzen und seiner Vergangenheit anheimgefallen, alles andere um sich herum vergessen hatte? War er da die Stimme für Jay gewesen? Oder war er einem Programm gefolgt, das Johanna Moore gestartet hatte? Oder hatte er sich vielleicht einfach der dunklen Seite seines Wesens ergeben?
Heather ging zum Sicherheitsschalter, um eine Genehmigung für Angehörige des Polizei und anderer Behörden zu holen, damit sie ihre Achtunddreißiger mit an Bord nehmen konnte. Sie holte ihre FBI-Marke heraus und gab sie dem apathischen Beamten.
Dantes Bewusstsein, seine Seele und seine Psyche waren schwer verletzt, aber sein Herz war noch immer voller Mitgefühl. Nachdem sie neben ihm und in seinen Armen gelegen hatte, wusste Heather, dass er nie so werden konnte wie Elroy Jordan, der aus Vergnügen und um der Macht willen tötete.
Was, wenn er trank? Wenn er auf die Jagd nach Blut ging?
Wie war es gewesen, als er Cecil Prejeans Hals aufgerissen hatte?
Würde sie auch für seine Opfer eine Stimme werden müssen? Konnte sie überhaupt für seine Opfer sprechen?
Heather fühlte sich seltsam leer und orientierungslos. Sie war voller Zweifel. Sie hatte sich bis über beide Ohren in
einen Mann verliebt, der kein Mensch war – und ein Mörder. Doch wie konnte man erwarten, dass er sich für Taten verantwortete, an die er sich nicht einmal erinnern konnte? Mit dieser Frage würde sie sich vermutlich recht bald auseinandersetzen müssen.
Nachdem sie ihn gefunden hatte; nachdem sie ihn gerettet hatte.
Während E den Van durch Georgia lenkte, wanderte sein Blick immer wieder zum Rückspiegel, um den schlafenden Blutsauger betrachten zu können – mit Drogen vollgepumpt und gefesselt. Eine Klinge steckte noch immer in seinem Bauch. Der Anblick ließ E erbeben, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Bald , versprach er sich innerlich.
Als Dante zu schreien begonnen hatte, während E ihm aus seiner Akte vorlas, hatte er ihn mehr als nur einmal erschreckt angestarrt. Die Handschellen hatten geklirrt, als Dante daran gerissen hatte, und der Van hatte so heftig geschaukelt, dass E Angst bekommen hatte, Dante könnte sich losreißen. Vorsichtshalber hatte er mit dem Lesen aufgehört und noch eine Spritze genommen, sie bis um Anschlag mit Blutsauger-Drogen gefüllt und Dante in den Hals gejagt.
Dann hatte Dante zu lachen begonnen.
Dante lacht, es ist ein unbegreifliches, tiefes, enthemmtes Lachen, das gebrochen klingt. Nach einer Weile lacht E mit, da es schließlich eine recht lustige Geschichte ist, wenn man diejenige, die man eigentlich will, aus Versehen abmurkst … der reine Wahnsinn! Zum Totlachen, wenn man es genau bedenkt, und dieser Gedanke lässt E erneut losprusten, bis er kaum mehr kann.
Dante schließt die Augen. Tränen laufen ihm aus den Augenwinkeln, während die Wirkung der Spritze einsetzt. Hat sich
auch fast totgelacht, denkt E zufrieden und genießt ihre
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