01 Nightfall - Schwingen der Nacht
im Netz Johanna Moores Adresse gefunden hatte, war Heather ohne Zögern ans Telefon gestürzt und hatte den nächsten Flug nach Washington gebucht. Sie setzte so zwar alles auf eine Karte, und zwar darauf, dass Elroy Jordan zu Moore »nach Hause« fuhr, doch es fühlte sich irgendwie richtig an.
De Noir hatte sich geweigert, einen Platz im Flugzeug zu reservieren. Er hatte erklärt, er werde auf seine eigene Weise dorthin gelangen.
Sie fragte sich, ob er gerade jetzt über ihnen dahinflog, Haar und Wimpern weiß bereift.
Trey hatte auch herausgefunden, dass ein gewisser C. K. Cross ein paar Tage zuvor einen Einkauf getätigt hatte, und zwar einen weißen Chevy-Van mit auf Kundenwunsch getönten Fenstern und einigen Änderungen im Innenraum. Der Händler hatte auch die provisorischen Nummernschilder gestellt, aber Heather hatte das Kennzeichen nicht an die Polizei weitergeleitet, da sie nicht wollte, dass noch mehr Menschen – so wie Collins – sterben mussten.
Außerdem war da noch Dante … Heather war nicht sicher, wie er reagieren würde, wenn sie von der Polizei angehalten werden würden. Sie dachte an die alptraumartige Szene auf der CD und an den eisigen Zorn, der sich in Dantes Miene widergespiegelt hatte, als er die Prejeans umbrachte.
Dante sitzt im Schneidersitz in einer Ecke des Esszimmers und blättert in einem Musikmagazin – vielleicht ist es Metal Scene – ,
in seinen Ohren stecken Kopfhörer. Er befindet sich anscheinend in seiner eigenen Welt, ist aber angespannt und nervös, bereit innerhalb des Bruchteils einer Sekunde um sich zu schlagen.
Wenn eines der anderen vier Pflegekinder im Haus auf ihn zutritt, zieht er seine Kopfhörer bereitwillig heraus. Mit zweien der Kinder spricht er Cajun, mit den anderen beiden Englisch. Er neigt den Kopf zur Seite und lacht. Ein Teenager in etwa demselben Alter wie Dante – etwa dreizehn oder vierzehn – setzt sich ein Weilchen neben ihn und legt seinen Kopf auf Dantes Schulter. Dante nimmt den Jungen in den Arm, und dann betrachten sie gemeinsam das Magazin.
Dann, einen Herzschlag später, bricht die Hölle los. »Mama« Adelaide Prejean gibt einem blonden Mädchen, das gerade den Tisch deckt, eine Ohrfeige und erklärt ihr, dass sie »wieder mal nur Scheiße« mache. »Papa« Cecil Prejean grunzt gereizt und verpasst der Kleinen mit dem Handrücken eine weitere Ohrfeige, so dass diese zu Boden geht.
Dante steht so schnell auf, dass nicht einmal die Kamera seine Bewegung festhalten kann. Der andere Junge, der neben ihm saß, hält mit offenem Mund noch die flatternde Illustrierte in der Hand. Dante verpasst Mama Prejean einen Schlag, wodurch sie einen Meter durchs Zimmer fliegt. Er springt sie an und reißt sie um. Dann schlägt er ihren Schädel gegen die Dielenbretter, bis er bricht und Blut und Hirnmasse auf das Holz und Dantes Hände spritzen.
Dann schüttelt er sich, steht auf und bewegt sich erneut zu schnell für die Kamera. Er drückt den fassungslosen Papa Prejean gegen die Wand und reißt seinen Hals mit den Fingernägeln auf. Blut spritzt auf Dantes verzückt wirkendes Gesicht. Er leckt es sich von Lippen und Fingern.
Sobald Papa Prejean kein Blut mehr in sich hat, lässt Dante ihn fallen, und er sackt tot zu Boden. Dante nimmt die anderen Pflegekinder und erklärt ihnen, sie sollen verschwinden.
Er sucht die Leichname nach Kreditkarten, Bargeld und nach allem ab, was irgendwie wertvoll sein könnte, und durchwühlt auch Mama Prejeans Handtasche. Dann teilt er alles unter den vier Kindern au f und behält nichts für sich.
Sobald die anderen weg sind, verschüttet er Grillanzünder im ganzen Haus und holt Benzin aus der Garage. Das gießt er über die Leichen. Er entzündet ein Streichholz. Wumm! Er wartet noch einen Augenblick, ehe er zum letzten Mal das Domizil der Prejeans verlässt.
Dante sieht dem gewaltigen Feuer von der Straße aus zu. Auf seinem makellosen, blutbespritzten Gesicht, in dem sich die Flammen spiegeln, zeigt sich Verzückung.
Heather erinnerte sich an Dante, wie er vor dem Anarchiesymbol gestanden und erklärt hatte: Freiheit ist das Ergebnis von Zorn.
Er hatte in jener Nacht nur für vier die Freiheit gewonnen. Er selbst war vom Bad-Seed - Projekt aufgegriffen worden, ehe man sein Gedächtnis in seine Einzelteile zerlegt und tief in seinem Inneren vergraben hatte. Ihn bis aufs Blut gereizt und auf die Menschheit losgelassen hatte.
Dante hatte auf der Straße überlebt. Aber würde er auch seine
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