01 - Suche bissigen Vampir furs Leben
die dichten Bäume, die sich hinter dem Haus erstreckten, und zwang mich mit purer Willenskraft weiterzugehen. Ich überquerte den riesigen Rasen, den ein paar scheußliche Statuen verzierten, die meine Mutter aus der „alten Heimat“ mitgebracht hatte, und näherte mich den Bäumen.
Ich betrat den dicht wuchernden Wald und lief etwa eine halbe Minute darin herum, wobei ich jeden einzelnen Ast berührte, der in meine Reichweite kam, um meinen Brüdern einen Anreiz zu geben und sie zwischen die Bäume zu locken. Ich hatte gerade kurz Halt gemacht, um den Zustand meiner Absätze zu kontrollieren (noch kein Matsch), als ich aus der Ferne schwach eine Glocke bimmeln hörte - das Zeichen, dass die Jagd begonnen hatte.
Ich holte tief Luft und sprang mit einem Satz nach oben auf einen ziemlich hoch gelegenen Ast, von dem aus man den Rasen, der das Haus umgab, gut im Blick hatte. Ich hockte mich an den äußersten Rand und hielt den Atem an.
Ich konnte sie gar nicht mal so sehr sehen wie fühlen, als sie nun auf mich zugestürmt kamen, sich in den Wald stürzten und direkt an mir vorbeirasten.
Erst mal riechen, dann denken. Das war meine Familie.
Sie erwarteten, dass ich versuchen würde, ihnen davonzurennen und stellten sich vermutlich vor, dass ich gerade um mein Leben lief. Aber ich war schlauer.
Und vor allem feiger.
Ich zählte wenigstens sechs Paar Fußstapfen, bevor ich wieder heruntersprang und auf die Rückseite des Haupthauses zulief. Ich wollte mich gerade im Poolhäuschen verbarrikadieren und ein paar Runden Solitaire auf meinem BlackBerry spielen, als ich das zarte Aroma von Rum-Soße roch.
Ich umrundete das Schwimmbecken und lief auf die Terrasse zu, bis ich auf einmal ins Stolpern geriet und schließlich stillstand.
Ich sah den Vampir auf einem der schmiedeeisernen Gartenstühle meiner Mutter sitzen.
Okay, ich war nie besonders gut in Mathe gewesen. Offensichtlich war Wilson den anderen gar nicht gefolgt und ich hatte mich verzählt. Stattdessen starrte er in den Himmel, als ob er im Geist gerade eine seiner geliebten Tabellen über die Sterne erstellte.
„Erwischt!“ Ich hatte mich von hinten an ihn herangeschlichen und ihm auf die Schulter geklopft.
Er sprang schnell wie der Blitz auf die Füße und wirbelte zu mir herum, die Lippen zurückgezogen und die Zähne gebleckt.
Ich sprang zurück.
„Lilliana?“ Die Fangzähne wurden wieder eingezogen. „Was machen Sie denn hier?“
„Was machen Sie hier?“ Ich musterte ihn. „Ich weiß jedenfalls, was Sie nicht machen. Ich hab dort drüben zwischen den Bäumen darauf gewartet, dass Sie meine Witterung aufnehmen.“ Ich bin so eine tolle Schauspielerin. „Und Sie haben sich nicht einen Zentimeter vom Fleck gerührt.“
Er zuckte mit den Schultern und schob die Hände in seine Hosentaschen. „Ich bin auch nicht hergekommen, um zu jagen.“
„Sie sind gekommen, um einen multiorgasmischen Vampir kennenzulernen.“
Er nickte. „Meine beiden Brüder sind schon seit über hundert Jahren gebunden. Meine erste Schwägerin ist eine glatte elf beim Orgasmus-Quotienten. Nummer zwei immerhin eine zehn. Ich bin der Einzige in der Familie, der nicht mal was Ordentliches in Aussicht hat.“
Ich begann zu begreifen, dass Wilson nicht darum allein war, weil er nicht so oft ausging. Und meine Mutter fand, ich sei wählerisch?
„Ich bin nicht ganz das, wonach Sie gesucht haben, wie?“, fragte ich ihn.
„Ich brauche wenigstens eine zehn, wenn’s um die Orgasmusfähigkeit geht, sonst bin ich eine Schande für den Harvey-Clan.“
Er sah so enttäuscht aus, dass mich der plötzliche Drang überkam, ihm zu sagen, ich hätte gelogen und könnte mit Leichtigkeit eine zwölf bringen (siehe den Kommentar oben von wegen gute Schauspielerin). Wenn ich richtig angetörnt und Schlagsahne mit im Spiel war und nach Möglichkeit auch noch jemand zärtlich an meinen Zehen saugte, dann brachte ich sogar glatte dreizehn.
Ja klar, flüsterte eine Stimme. Vielleicht vor ein paar Millionen Jahren.
Ich ignorierte diese Stimme. Die Zeit hatte in keiner Weise, Art oder Form meine Orgasmusrate vermindert. Das redete ich mir zumindest ein.
„Hören Sie mal, wenn es unbedingt eine zehn für Sie sein muss“, sagte ich zu Wilson, „dann kann ich Ihnen möglicherweise aushelfen. Ich weiß nicht, ob meine Mutter es erwähnt hat, aber ich betreibe eine Partnervermittlung.“ Ich zog eine Karte aus meiner Tasche und überreichte sie ihm. „Ich könnte Ihnen dabei helfen,
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