01 - Tage der Sehnsucht
hatte er so viel Klatsch wie möglich
aufgeschnappt und daraus erfahren, wer wichtig war und wer nicht. Er redete und
redete. Erst nach einiger Zeit merkte er zu seinem Ärger, dass Fiona in ihrem
Sessel fest eingeschlafen war. Er schüttelte sie wach und befahl ihr, ins Bett
zu gehen.
»Und was werden Sie
tun?« fragte Fiona gähnend.
»Ich werde ein bisschen
im Park spazierengehen. Ich bin den ganzen Tag nicht draußen gewesen.«
Fiona stieg in ihr
Zimmer hinauf und setzte sich ans Fenster, bis sie die Haustür zuschlagen hörte
und den von oben klein wirkenden Mr. Sinclair die Straße dahingehen sah. Dann
zog sie die Glocke.
Ein lautes Gähnen
draußen kündigte die Zofe an. Wie Fiona machte auch den Dienstboten der
ungewohnte Überfluss an Nahrung zu schaffen.
»Gnädiges Fräulein?«
fragte Jenny und unterdrückte ein weiteres kräftiges Gähnen.
»Holen Sie Mr.
Rainbird«, befahl Fiona. Ihre gewöhnlich freundliche Stimme klang nahezu
barsch.
Jenny eilte hinaus.
Sie überlegte, was die normalerweise ruhige Miß Fiona aus der Fassung gebracht
haben könnte. Ein paar Augenblicke später erschien Rainbird im Türrahmen.
»Kommen Sie herein,
Mr. Rainbird«, sagte Fiona, »und nehmen Sie Platz, und schließen Sie die Tür
hinter sich.«
Rainbird tat wie
geheißen und nahm den Stuhl neben dem leeren Kamin ein, während Fiona sich ihm
gegenüber setzte. Sie händigte dem Butler als erstes einen Haufen Banknoten und
Münzen aus.
Er nahm das Geld,
protestierte aber, als er den großen Betrag sah, den er in Händen hielt. »Sie
sind schon immer mehr als großzügig gewesen, gnädiges Fräulein«, sagte er. »Ich
brauche nicht so viel.«
»Sie werden noch
merken, wie nützlich das Geld ist«, widersprach Fiona. »Und nun, Mr. Rainbird«,
fuhr sie fort und beugte sich vor, »habe ich einiges mit Ihnen zu besprechen.
Zum ersten muss ich darauf bestehen, dass in diesem Hause keine üppigen
Mahlzeiten mehr serviert werden. Sie vergessen, dass Mr. Sinclair ein Geizhals
ist. Und ich möchte nicht, dass er durch Anzeichen von Völlerei verärgert
wird.«
»Oh, das wird
MacGregor aber schwer enttäuschen«, erwiderte Rainbird. »Er fing. an, sich
darüber zu freuen, dass er wieder seine ganze Kunst entfalten durfte.«
»Dann soll er das
in Zukunft in der Gesindestube tun«, erklärte Fiona. »Es ist mir gleich, wie
viel Sie fürs Essen ausgeben, solange nichts davon auf Mr. Sinclairs Tisch
kommt. Ein Gang am Abend und danach, etwas Obst sind für Mr. Sinclair und mich
genug. Verhätscheln Sie auch die Gäste nicht so mit gutem Wein und diesem köstlichen
Gebäck! Das Billigste, was Sie finden können, genügt vollkommen. Eine andere
Frage: Warum bleiben Sie und die übrigen Angestellten bei Ihrer miserablen
Bezahlung hier?«
Rainbird mied ihren
offenen Blick. Er hätte ihr zum Beispiel erzählen können, dass Palmer die
Frauen durch seine Weigerung, ihnen Zeugnisse auszustellen, an das Haus
fesselte. »Wir haben uns so daran gewöhnt zusammenzuarbeiten«, wich er nach
einer Pause aus. »Wir sind wie eine Familie.«
Sie nickte, aber
irgend etwas an ihrem Verhalten verursachte Rainbird Unbehagen. »Möchten Sie, dass
ich Ihnen sonst noch einen Dienst erweise?« erkundigte er sich, um ihre
Aufmerksamkeit vom Thema Dienstbotenentlohnung abzulenken.
»Richtig«,
bestätigte Fiona. »Ich möchte, dass Sie mir Lord Harrington verschaffen.«
Rainbirds
gewöhnlich lebhaftes Gesicht wurde ausdruckslos. ,Gedanken an Salome, die das
Haupt Johannes' des Täufers gefordert hatte, schossen ihm durch den Kopf. Dann
plötzlich glaubte er den Grund dafür gefunden zu haben, warum er sich so unbehaglich
fühlte. Fiona war verrückt.
»Und wie möchten
Sie Seine Lordschaft?« fragte Rainbird, entschlossen, ihr ihren Willen zu tun.
Etwa gesotten, ausgenommen und zerlegt? fügte er bei sich selbst hinzu.
»Ich möchte ihn als
meinen Gatten vor dem Altar.«
Rainbird fragte
behutsam: »Sie wollen den Earl of Harrington heiraten?«
»Ja.«
»Möchten Sie, dass
ich ihn entführe?«
»Nein!« Fiona war
peinlich berührt. »Sie müssen ihn in mich verliebt machen.«
»Und. wie soll ich
das bewerkstelligen?« fragte Rainbird vorsichtig.
»Sie müssen
Situationen schaffen, die uns zusammenbringen.«
»Was für eine
Situation zum Beispiel?«
»Ich weiß es
nicht.« Fiona schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Aber ich bin mir sicher, dass
Ihnen schon etwas einfällt.« Sie stand auf, zum Zeichen, dass das Gespräch zu
Ende sei.
Zu
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