010 - Skandal in Waverly Hall
kannst nichts dafür, daß du erst jetzt von deiner Abstammung erfahren hast", sagte sie endlich.
Er ließ sie nicht aus den Augen. „Ich möchte, daß du mir verzeihst, Anne. Ich möchte, daß du mir alles verzeihst."
Anne bekam keinen Ton heraus und trank einen Schluck Champagner. Als sie den Kopf wieder hob, stellte sie fest, daß Dominicks Blick außerordentlich kühn und männlich geworden war. „Du bist ganz entzückend, wenn du rot wirst", murmelte er.
„Sag so etwas nicht", antwortete sie sofort.
„Weshalb nicht?" fragte er herausfordernd.
Anne überlegte eine Weile. Sie kam sich heute abend wie in einer fremden Welt vor und erkannte clie Gefahr, in der sie schwebte. Alles zu vergessen und Dominick zu vergeben, war viel zu gefährlich. Sie durfte sich nicht erneut von der Leidenschaft fortreißen lassen. „Es gibt kein Zurück", sagte sie heiser.
„Weshalb nicht? Du erwartest von den anderen, daß sie mir gegenüber großzügig sind. Du bist meine Frau, Anne. Deine Großzügigkeit möchte ich. Die der anderen ist mir egal." Seine Augen blitzten.
Anne hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten und wäre davongerannt. „Du gibst mir das Gefühl, daß ich dir Unrecht getan habe, und nicht umgekehrt."
„Das ist gut."
Sie sahen sich fest an, und Anne konnte den Blick nicht von ihm wenden.
„Es tut mir sehr leid, Anne", sagte Dominick leise. „Alles tut mir sehr leid. Was muß ich tun, um deine Vergebung zu erlangen?"
Anne bekam kaum noch Luft. Der Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. „Es geht nicht um Vergebung, Dominick. Du mußt mein Vertrauen zurückgewinnen."
Er sah sie ernst an.
Verstohlen blickte sie sich um und merkte, daß zahlreiche Gäste auf sie aufmerksam geworden waren. Sie schwiegen beide eine ganze Weile. Endlich sah Anne Dominick wieder an und bemerkte seine versteinerte Miene und seinen finsteren Blick. Erneut hatte sie das Gefühl, ihm Unrecht zu tun, was natürlich Unsinn war.
„Also gut, Anne", sagte Dominick endlich.
Anne atmete erleichtert auf. Als er nicht weitersprach, betrachtete sie die Gäste, die sich ihnen halb zugedreht hatten und sie mit kaum verhohlener Neugier beobachteten.
„Meinst du, daß ein einziger von denen heute abend mit uns sprechen wird?" fragte sie leise.
„Das bezweifle ich. Ein Bastard zu sein und wie der Erbe eines Herzogtums aufzutreten, ist ziemlich unverzeihlich."
„Was sollen wir dann tun?"
„Wir ignorieren die anderen einfach. Wir tun, als wäre uns ihr Verhalten restlos gleichgültig." Seine Stimme wurde leiser und verführerischer. „Wir tun, als wären wir wahnsinnig ineinander verliebt."
Anne erstarrte vor Schreck. „Ich ... ich glaube kaum, daß das eine gute Idee wäre."
„Weshalb nicht?" Dominick nahm ihr das Glas aus der Hand und reichte es gemeinsam mit seinem einem vorbeikommenden Bediensteten. „Tanz mit mir." Das war keine Frage.
Außerdem blieb Anne gar keine Gelegenheit zu einer Antwort. Dominick führte sie auf die Tanzfläche und zog sie sofort in die Arme. Das Orchester spielte gerade einen Walzer. Plötzlich glitt sie über das Parkett und hatte das Gefühl, zu schweben.
Anne schwindelte beinahe. Dominicks Arme waren stark, und seine Schritte waren sicher. Sie hatte bisher nur ein-oder zweimal getanzt und noch nie so wie jetzt: in einem unglaublich eleganten Ballsaal, wie eine Prinzessin gekleidet, mit Juwelen geschmückt und in den kräftigen Armen eines Mannes wie Dominick.
Er lächelte zu ihr hinab und blickte sie warmherzig an. Annes Herz setzte einen Schlag aus. Immer wieder wirbelte er sie im Kreis. Er war ein fabelhafter Tänzer, leichtfüßig, graziös und sicher. Sie brauchte die Walzerschritte nicht zu kennen. Es reichte, wenn sie von ihm führen ließ. Sie schwebten und drehten sich, und ihre Röcke bauschten sich. Die übrigen tanzenden Paare verschwammen vor ihren Augen und traten zurück. Die Musik wurde leiser, und das Licht verlosch beinahe. Es gab nur noch Dominick. Er war der bestaussehende
Mann im Saal - und der aristokratischste. Auch wenn er in den Augen der Anwesenden ein Bastard war.
Dominick zog sie enger an sich. „Anne?"
Sie öffnete die Lippen und wurde von einer unendlichen Sehnsucht erfaßt. Sie spürte das Verlangen, das sich in ihren Lenden sammelte. Es war stark und vertraut und erschreckte sie nicht mehr.
Dominick drückte sie fest an sich und vergaß die anderen Tänzer ebenso wie sie.
Ihre Körper schienen zu verschmelzen. Ihre Herzen schlugen im Takt, und
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