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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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verrückte Vermächtnis aufsetzte?"
    „Wir sind einfach gute Freunde!"
    „Freunde", schnaufte Ciarisse verächtlich. Tränen rannen ihre Wangen hinab. „Sie wußten genau, was Sie taten, und Sie taten es perfekt. Sie haben den Sohn für Rutherford gespielt, und Sie sind ihm lieb wie ein Sohn geworden. Jeden Morgen sind Sie mit ihm ausgeritten. Sie haben mit ihm über die Londoner Börsenkurse gesprochen, die Pachthöfe inspiziert und die teuren landwirtschaftlichen Maschinen gekauft. Und sie haben gewußt, weshalb."
    Ciarisse schwieg einen Moment.
    „Die Unregelmäßigkeiten im Hauptbuch zu entdecken, war allerdings eine Meisterleistung. Das gebe ich zu", fuhr sie fort. „Dem Gutsverwalter nachzuweisen, daß er Gelder unterschlug, war ein Geniestreich. Auch seine fristlose Entlassung.
    Seitdem gibt es keinen Verwalter mehr, und Sie leiten selber eines der reichsten Landgüter Englands. Sie sind wirklich sehr schlau!"
    „Philip war nie da, und der Verwalter war ein Schurke. Jemand mußte sich doch um die Leitung des Gutes kümmern. Dominick kehrte nicht zurück. Deshalb tat ich, was getan werden mußte."
    „Ja, Sie taten, was Sie tun mußten", wiederholte Ciarisse spöttisch.
    Anne schwieg betroffen und wußte nicht, wie sie sich verteidigen sollte.
    Ciarisse sah sie vorwurfsvoll an. „Von dem Augenblick, als Sie Dominick verführten, lief alles genau nach Plan."
    „Ich habe Dominick nicht verführt", antwortete Anne heiser.
    „Natürlich haben Sie meinen Sohn verführt! Sie, eine mittellose amerikanische Waise, ein Niemand! Sonst wäre er nie auf den Gedanken gekommen, Sie zu heiraten."
    Anne wußte nicht mehr aus noch ein. Sie spürte den Schmerz beinahe körperlich.
    Mit ihrer letzten Bemerkung hatte Ciarisse allerdings recht. „Sie haben mir niemals verziehen, nicht wahr? Weder den Skandal, noch daß ich eine mittellose Halbamerikanerin bin oder daß ich Dominick geheiratet habe. Darum geht es in Wirklichkeit, nicht wahr? Um meine Heirat."
    „Nein, ich haben Ihnen nicht verziehen und werde es niemals tun. Sie haben recht, es geht um Ihre Heirat mit meinem Sohn."
    „Es tut mir leid, daß Sie so darüber denken", sagte Anne. Sie mußte die Unterhaltung unbedingt beenden. „Es war ein anstrengender Tag für uns alle, und Sie sind sehr erregt. Morgen sieht alles gewiß schon anders aus."

    „Meine Einstellung ist dieselbe geblieben, seit Sie meinen Sohn geheiratet haben.
    Bis morgen wird sich kaum etwas daran ändern. Außerdem stehe ich mit meiner Ansicht über Sie nicht allein, Anne."
    Anne schluckte trocken. „Mir ist durchaus klar, wie die feine Gesellschaft über mich denkt."
    Ciarisse lachte freudlos. „Die feine Gesellschaft, die Bevölkerung dieses Landes - jeder kennt die Wahrheit."
    „Die Wahrheit ist, daß ich Dominick geliebt habe, als wir heirateten", flüsterte Anne.
    „Die Wahrheit ist, daß Sie eine skrupellose Amerikanerin sind, die es auf einen Adelstitel und ein Vermögen abgesehen hat."
    Anne war sprachlos. Genau dies warf man ihr seit vier Jahren insgeheim vor. Aber bisher hatte es ihr niemand offen ins Gesicht gesagt. Jeder wußte, daß ihr amerikanischer Vater, Frank Stewart, nichts hinterlassen hatte und sie mit elf Jahren als mittellose Waise auf der Schwelle ihrer Tante in England aufgetaucht war.
    Sinnvollerweise wollte sich jedoch niemand an ihre Mutter erinnern. Ednas jüngere Schwester Janice war eine Stanhope gewesen. Sie stammte aus einer der ältesten blaublütigen Familien Englands und hatte einen berühmten Namen getragen. Leider war sie bei ihrer Geburt gestorben.
    Anne war für alle nur die arme verwaiste amerikanische Verwandte. Das gerissene leichtfertige Mädchen, das seiner Cousine am Vorabend der Hochzeit den Verlobten weggeschnappt hatte, den begehrtesten Junggesellen des Landes. Wahrscheinlich hatten Felicity und Edna sich große Mühe gegeben, diese furchtbare Lüge zu verbreiten. Weder ihre Cousine noch ihre Tante hatten seit der Hochzeit ein Wort mit ihr gesprochen. Auch sonst niemand von der feinen Gesellschaft.
    „Sie haben Rutherford ebenso becirct wie das Personal -und meinen Sohn in jener Nacht im Garten."
    „Nein", flüsterte Anne kaum hörbar.
    „Sie können mir nichts vormachen, Anne. Ich habe mich nie von Ihnen täuschen lassen." Ciarisses kleiner Busen hob und senkte sich heftig. „Sie wirken äußerst ehrbar, das gebe ich zu. Aber das ist nur Schein."
    „Alles, was ich dazu sagen könnte, wäre demnach reine Zeitverschwendung?"

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