010 - Skandal in Waverly Hall
seinen unsittlichen Vorschlag ablehnen. Aber die Worte kamen ihr nicht über Lippen. Sie spürte die Hitze seines Körpers und hielt es kaum noch aus.
„Anne?"
Sie drehte sich um. Das war ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. „Ich möchte, daß du gehst", erklärte sie kühl. „Bitte, verlaß Waverly Hall wieder. Muß ich mich noch klarer ausdrücken?"
Dominicks Augen wurden dunkel vor Zorn. Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie an sich. „Ich möchte aber nicht gehen", sagte er heiser. „Muß ich mich ebenfalls noch klarer ausdrücken?"
Anne bekam keinen Ton heraus. Dominick hielt sie fest in seinem Armen und sah sie mit glühenden Augen an. Sie merkte genau, was er vorhatte, und wollte den Kopf abwenden. Doch er nahm ihren Mund in Besitz, und sie schrie leise auf. Er beachtete ihren Protest nicht, sondern verstärkte den Griff um ihre Taille. Fordernd schob er die Zunge zwischen ihre Lippen und drang tief ein. Mit seinem kräftigen Körper hielt er sie an der Tür gefangen.
Anne konnte sich nicht rühren. Sie war nicht einmal sicher, ob sie es noch wollte.
Dominick küßte einfach phantastisch. Abwechselnd gierig und verzehrend, sanft und liebevoll drückte er die Lippen auf ihren Mund. Er knabberte und sog an ihrer Unterlippe, und das betörende Spiel seiner Zunge war so lustvoll, daß ihr beinahe die Sinne schwanden.
Annes Knie wurden weich wie Wachs. Sie mußte sich an Dominick klammern, um nicht zu Boden zu sinken. Und sie küßte ihn zurück.
Keuchend machte er sich von ihr los. „Hat Patrick dich jemals so geküßt?"
Anne rang nach Luft und war total verwirrt. Ihr Körper war auf höchste erregt und brannte wie Feuer. Sie war den Tränen nahe und sah Dominick verständnislos an.
„Patrick?" stieß sie hervor.
„Ja", antwortete er barsch. „Patrick. Jener Mann, mit dem du den ganzen Abend geflirtet hast, in der Hoffnung, mich eifersüchtig zu machen."
Anne war ziemlich verblüfft. Sie hatte Rutherfords Rat befolgt und sich ein bißchen kokett gegenüber ihrem Vetter verhalten. Allerdings hatte sie angenommen, daß Dominick es nicht einmal gesehen hätte.
„Nun, es ist dir gelungen, Anne", grollte Dominick. „Ich bin eifersüchtig, unglücklich und sehr erregt, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest."
Anne errötete und wagte nicht, den Blick von seinem Gesicht zu lösen.
„Anne?"
„Was ist?"
„Tu so etwas nie wieder - es sei denn, du bist bereit, die Folgen dafür auf dich zu nehmen."
Anne keuchte hörbar.
Dominick ließ sie los. Die widersprüchlichsten Gefühle spiegelten sich in seinem Gesicht - Verärgerung, Entschlossenheit und heftiges Begehren. Er öffnete die Tür und trat beiseite, damit Anne eintreten konnte. Als sie sich nicht rührte, wandte er sich ab und lief den Korridor zurück. Anne sah zu, wie er die Treppe hinabstieg und verschwand.
Sie seufzte leise und atmete erleichtert auf. Sie wäre bereit gewesen, sich Dominick hinzugeben, wenn er darauf bestanden hätte. Genauer gesagt, sie war immer noch dazu bereit. Ihr Körper war ein abscheulicher Verräter und ließ sie ständig im Stich.
Anne schlüpfte in ihr Schlafzimmer und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür.
Sie schluckte trocken, aber es nützte nichts. Der Puls hämmerte weiter in ihren Ohren. Schweigend betrachtete sie den Raum. Er war nur schwach beleuchtet und lag fast ganz im Schatten. Ihre Kammerzofe hatte eine einzige Gaslampe angezündet. Es war beinahe unheimlich still. Nur die weißen Vorhänge bewegten sich von der leichten Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte.
Anne drehte sich um und verriegelte die Tür. Wie sollte es weitergehen, wenn Dominick ihr jeden Abend nachstellte? Es war unvermeidlich, daß sie ihm früher oder später nachgeben würde. Sie hätte es schon heute abend getan, denn sie war seinen Verführungskünsten nicht gewachsen.
Langsam trat sie weiter ins Zimmer. Eines wurde ihr langsam klar. Sie konnte Dominick nicht dazu bringen, Waverly Hall freiwillig zu verlassen. Wenn sie wirklich wollte, daß er ging, mußte sie seinem schändlichen Vorschlag zustimmen. Sie brauchte Dominick nur eine lange Woche zu ertragen -dann hätte sie ihre Freiheit zurück.
Diese Vorstellung erschreckte und faszinierte sie zugleich.
Ein intimes Bild tief in ihrem Kopf ließ ihr keine Ruhe: Dominick und sie ruhten engumschlungen und erschöpft vom Liebesspiel zwischen den zerknüllten Laken.
Annes
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