0105 - Keine Spur von Mister High
Cresford sich geschlagen.
»Ich stelle meinen Dienstwagen quer über die Straße. Oben auf dem Berg. Wenn jemand vorbei will, muss er anhalten. Ich denke, dass wir uns die Wache teilen. Ich setze mich bis zehn Uhr abends rein. Vielleicht kannst du…«
»Okay, ich bleib in der Nacht drin bis sechs. Um sechs morgen früh kannst du mich wieder ablösen. Einverstanden?«
»Sicher, Tom. Gern. Also ich geh jetzt rüber. Du kommst um zehn rauf, okay?«
»Okay, George.«
***
Der Sheriff stapfte über die Straße zurück. In seiner Garage stand ein alter Dodge, den ihm die Pennsylvania State Police zur Verfügung gestellt hatte. Das Fahrzeug war natürlich mit einer Sprechfunkanlage ausgerüstet. Sie stand in direkter Verbindung mit Harrisburg, wo sich die nächste Funkleitstelle der Staatspolizei befand.
Ein Stück die Dorf straße weiter hinauf kam man auf den Gipfel eines schmalen Felshügels. Rechts und links von der Straße stürzten steile, glatte Felswände ungefähr fünfzig Yards senkrecht in die Tiefe, sodass wegen der sehr engen Straße an Ausweichen oder Umfahren eines Hindernisses nicht zu denken war. Wenn man auf dem Gipfel des Hügels stand, hatte man einen weiten Blick hinab in die flachen Täler der Umgebung. In der Ferne konnte man jenen historischen Punkt sehen, wo Washington in der Christnacht 1776 den Delaware überschritt, um wenige Tage später seinen Feind zu überraschen und vernichtend zu schlagen. Noch heute berichtet ein weltbekanntes Gemälde von dieser Überfahrt in der heiligsten Nacht des Jahres.
Wie häufig in ländlichen Gegenden war der Sheriff nicht wenig stolz auf die Tatsache, dass er gewissermaßen auf historischem Boden stand. Er hielt den alten Dodge an und blickte hinüber in die Folge der Täler, wo sich weit hinten der Delaware schlängelte.
Eigentlich ist es Blödsinn, dass man hier herumsteht, dachte er. Die Burschen kommen hier doch nicht vorbei. Erstens ist die Straße zu schlecht. Zweitens werden sie was Besseres wissen, als ausgerechnet über Waston City zu fahren. Drittens sind solche'Kapitalverbrecher noch nie durch Waston City gekommen…
Er stopfte sich gemächlich seine Pfeife. Dass er nicht einen einzigen logischen Grund für seine Gedankengänge anführen konnte, störte ihn weiter nicht. Logik war noch nie seine starke Seite gewesen.
Träge verging die Zeit. Nicht ein einziger Wagen wollte die schmale Straße passieren, die der Sheriff absperrte. Er hatte es auch nicht anders erwartet.
Gegen fünf Uhr nachmittags erschien seine Frau mit einem Handkorb.
»Tom sagte mir, dass du hier oben wärst«, erklärte sie ihr Erscheinen. »Ich habe dir was zu essen gebracht, George.«
»Das ist vernünftig«, schmunzelte der Sheriff. »Wer hart arbeitet, soll wenigstens gut essen. Ich muss die Straße absperren. In New York sind Kidnapper entkommen. Man rechnet damit, dass sie hier durchkommen!«
Seine Frau wurde blass.
»Um Gottes willen, George!«, rief sie entsetzt aus. »Dann musst du sofort hier verschwinden!«
»Ganz im Gegenteil! Ich muss hierbleiben und sie verhaften!«
»Aber sie werden dich erschießen!«
Der Sheriff klopfte auf seine Pistolentasche.
»Das sollen sie nur versuchen!«, sagte er lässig. »Dann brenne ich ihnen aber ein paar Kugeln auf den Pelz, dass der Gemeindefriedhof Zuwachs bekommt!«
Seine Frau bestaunte ehrerbietig ihren starken Mann. George wusste, dass seine Frau ihn ehrfürchtig anhimmelte, weil er Sheriff war. Und wie jeder Mann sonnte er sich gern in seinem Ruhm.
»Du könntest mal wieder bei mir das Office aufräumen«, sagte er großmütig. »In einem Sheriff Office muss Ordnung herrschen. Auf dem Schreibtisch muss Staub geputzt werden. Das ist Weibersache.«
»Ich habe mir schon Putzlappen mitgebracht, George. Ich wollte es ohnehin tun. Aber meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du hier verschwinden würdest? Warum sollst gerade du die Verbrecher aufhalten?«
George warf sich in die Brust.
»Weil ich der Sheriff bin. Außerdem weiß man eben, dass man sich auf mich verlassen kann.«
Seine Frau sah ihn bewundernd an. Was war er doch für ein Mann!
Sie unterhielten sich noch eine Weile, dann nahm seine Frau einen sorgenvollen Abschied und ging zurück zum Office des Sheriffs, das keine hundert Yards unterhalb des Hügels lag.
Der Sheriff aber machte sich gut gelaunt über die belegten Brote her, die ihm seine Frau gebracht hatte. Seit Jahr und Tag verstand er es, bei seiner Frau den Eindruck zu erwecken, als
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