0108 - Mord auf Tonband
Freund das Tonband an sich genommen und es mir geschickt. Heute warnte er uns, ob zu seiner eigenen Sicherheit oder aus Haß gegen den Boß, blieb dahingestellt.
Anstatt schlafen zu gehen, fuhren wir sofort hinauf zum Erkennungsdienst, wo man bereits die Fingerabdrücke des Toten überprüfte. Auch ein Foto war gemacht und entwickelt worden. Wir sichteten den Inhalt der Taschen des Toten, der geordnet neben der Leiche auf dem Tisch lag. Es gab einen Schlüsselbund, eine Geldbörse mit ein paar Silberdollars und Kleingeld, ein Taschentuch, Feuerzeug, Zigaretten und endlich eine Brieftasche. Diese enthielt zweihundertfünfundvierzig Dollar, einen Führerschein auf den Namen Cecil Bright und einen Paß mit mexikanischem Visum, in dem er, obwohl die Fotografie die gleiche war, Percy Brux hieß. Sicherlich waren beide Namen falsch. Die Bestätigung dafür erhielt ich sehr schnell. Der Erkennungsdienst hatte einmal wieder prompt gearbeitet. Der Tote hieß Tim Peppercorn, war 37 Jahre alt und in New York beheimatet. Er hatte Verschiedenes auf dem Kerbholz, aber man konnte ihn nicht gerade in die Kategorie der Schwerverbrecher einreihen.
Er war also ein verhältnismäßig harmloser Bursche gewesen, und darum tat er mir leid, vor allem, da er seinen Tod gefunden hatte, als er versuchte, uns vor dem gleichen Schicksal zu bewahren.
Nach nur fünf Stunden Schlaf war ich wieder aktionsfähig. Es hatte sich inzwischen herausgestellt, daß die beiden im Paß und Führerschein angegebenen Adressen nicht stimmten. Wir veranlaßten Neville, ein paar Spitzel zu bestellen, um herauszubekommen, was Tim Peppercorn in letzter Zeit getrieben und wo er gewohnt hatte.
Gegen Mittag wurde uns berichtet, daß Julie Cain vernehmungsfähig sei. Sie lag in einem pompösen Zimmer erster Klasse und wurde, gerade als wir ankamen, mit allen möglichen guten Dingen gefüttert. Natürlich war sie noch sehr schwach und hatte vor allem eine Höllenangst. Ihre Hände steckten in dicken Verbänden, aber die Schwester konnte bestätigen, daß die Blutzirkulation langsam wieder in Gang kam.
Vor uns war schon ein Besucher dagewesen, nämlich Mr. Vanderkruit, der plötzlich sein väterlich mildtätiges Herz entdeckt hatte. Seiner leichtfertig gegebenen Versicherung, es könne ihr gar nichts geschehen, hatten wir es zu verdanken, daß sie nach einigem Zureden auspackte. Ihre Lebensgeschichte, die sie uns bereitwilligst zum besten gab, hörte sich allerdings etwas anders an als die, die wir kannten.
Sie stammte aus einer Familie, deren Trauen ausnahmslos sehr hübsch waren. Sie hatte zwei Schwestern, die, wenn wir ihr glauben durften, über alle möglichen Schönheiten verfügten. Die eine war schon mit fünf Jahren zum »Kind des Jahres« gewählt worden, und die zweite erhielt mit siebzehn Jahren den Titel Miß Hudson Falls. Nur Julie mit ihren stark kurzsichtigen Augen und ihrem wenig anziehenden Äußeren war das Aschenputtel geblieben. Die eine der Schwestern wurde Mannequin in Philadelphia und die zweite Kosmetikerin in Chicago. Julie selbst kam als Lehrmädchen in eine Zelluloidwarenfabrik. Sie verdiente fast nichts und mußte den großen Teil davon zu Hause abgeben. Kein Wunder, daß sie bei erster Gelegenheit einen Griff in die Kasse tat und nach New York fuhr.
Dort w£jr sie nacheinander Kindermädchen, Serviererin und Verkäuferin in einem Gemüsegeschäft. In ihrer Freizeit ging sie von einem Museum zum anderen und verschlang alle Kunstliteratur, die sie ergattern konnte. Sie hatte sogar eine Zeitlang den Ehrgeiz Malerin zu werden, aber das scheiterte an der Geldfrage. Schon ehe sie zu Brisbane kam, hatte sie zwei Stellungen gehabt, und gerade zu dem Zeitpunkt ihres Eintritts lernte sie Renee Lejaune kennen.
Damals hatte sie sich nichts dabei gedacht, als er ihr Komplimente machte und sie einlud, jetzt allerdings war sie der Ansicht, er habe ganz bestimmte Gründe gehabt, als er sich an sie heranmachte. Er fragte .sie über Gemälde aus, die zum Verkauf standen. Eines Tages verlobte er sich mit ihr, meinte aber, er verdiene nicht genug, um zu heiraten. Zuerst müsse er einmal einen großen Schlag machen. Was er mit diesem »großen Schlag« meinte, erfuhr sie sehr schnell. Er wol&e wissen, ob es in Brisbanes Kollektion ein Gemälde gäbe, durch dessen Verkauf man auf einen Schlag ein paar tausend Dollar verdienen könne.
Die einzige Schwierigkeit dabei war, daß Brisbanes Geschäftsräume durch 'Alarmanlagen narrensicher waren. Lejaune bohrte
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