0111 - Die grausamen Ritter
teilten die rechte Hälfte auf. Zwei von ihnen waren leer. Doch im oberen stand etwas.
»Mein Gott!« flüsterte die Frau und wankte einen Schritt zurück.
»Das ist doch nicht wahr…«
Sie schloß die Augen, öffnete sie wieder und schaute noch einmal hin. Das Bild blieb.
Vor ihr stand ein Kelch!
Ein phantastisches Stück. Er hatte die Form einer Schale und bestand aus purem Gold!
Ja, es war ein echt goldener Kelch, den Mr. Sinclair in dem Schrank aufbewahrt hatte. Doch nicht nur das Gold faszinierte sie, sondern auch die Edelsteine, die den äußeren Rand als einen rundgezogenen Streifen bedeckten. Die Steine funkelten und gleißten, sobald Licht auf sie fiel. Sie entfalteten ihr kaltes Feuer, so daß Mrs. Peterson nur noch staunen konnte.
Die Raumpflegerin war eine einfache Frau, aber sie ahnte, daß vor ihr etwas ungeheuer Wertvolles stand, und sie wunderte sich, daß so etwas in einem einfachen Schrank aufbewahrt wurde.
Woher sollte sie auch wissen, daß sie den Kelch des Feuers betrachtete, einen Gegenstand Weißer Magie, der eine Abwehrwaffe gegen Dämonen und finstere Mächte bildete.
Davon hatte die gute Frau keinen blassen Schimmer. Sie wollte auch den Schrank hastig wieder schließen, als sie abermals die Stimme vernahm.
John Sinclair
Mrs. Peterson zuckte zusammen.
Die Stimme war doch aus dem Schrank gekommen. Nun täuschte man sie nicht mehr, denn sie stand genau davor.
Bisher hatte sie nur die rechte Hälfte aufgezogen, jetzt versuchte sie es bei der linken.
Die Raumpflegerin legte den Hebel um und öffnete die Tür.
Leer!
Außerdem besaß diese Schrankhälfte auch nur ein Regal. Dort entdeckte sie eine kleine Schatulle, wie sie Frauen benutzen, um darin ihren Schmuck aufzubewahren.
Von Neugierde getrieben, nahm sie die Schatulle an sich und klappte den Deckel hoch.
In rotem Samt lag ein silberner Nagel!
Das war alles.
Mrs. Peterson schüttelte den Kopf. Sie konnte nicht verstehen, daß jemand einen silbernen Nagel aufbewahrte. Aber es war auch egal. Sie hatte das nicht zu interessieren. Mrs. Peterson wunderte sich nur, woher die Stimme aufgeklungen war, denn sie konnte man nicht wegdiskutieren. Was sie gehört hatte, das hatte sie gehört.
Hilfe, John Sinclair
Die Frau zuckte herum. Die feinen Härchen im Nacken stellten sich hoch.
Wieder diese Stimme.
Und direkt an ihrem Ohr. Es hatte sich angehört, als wäre der Ruf aus dem Kelch geklungen.
Aber gab es das?
Jetzt überwand Mrs. Peterson sich selbst. Sie tat das, was sie sonst nie getan hätte, streckte beide Arme aus und umfaßte den wertvollen Kelch.
Ihre Hände zitterten, als sie ihn aus dem Regal hob und auf einem Tisch abstellte.
Nun konnte sie in den Kelch hineinschauen!
Ihre Augen wurden groß, die Unterlippe begann zu zittern, und der Schweiß trat aus allen Poren.
Der Kelch war nicht leer. Nebel bewegte sich auf seinem Boden, der durcheinanderquirlte und an den Innenseiten hochkroch, ohne allerdings über den Rand des Gefäßes zu quellen.
Aber nicht nur Nebel bewegte sich auf dem Boden des Kelchs.
Die Frau sah auch etwas anderes.
Einen Mann.
Klein und winzig.
Er war an Händen und Füßen angekettet, besaß eine grünliche Hautfarbe und schien ungeheure Angst zu haben, denn er warf sich verzweifelt hin und her.
Mrs. Peterson wußte vieles, aber eins war ihr unbekannt. Sie hatte Myxin, den Magier, gesehen…
***
»Man hört gar nichts«, sagte Shao.
»Wie?« fragte Suko.
»Man hört nichts.«
»Ist doch egal.« Suko war beschäftigt. Ihn kümmerte es nicht, was seine Freundin sagte. Er hatte eine neue Motorradzeitschrift vor sich liegen und studierte die Maschinen.
Da gab es prächtige Feuerstühle.
Hondas, Suzukis, Kawasakis – die Japaner bauten phantastische Modelle. Doch Suko war da ziemlich konservativ. Er schwor auf seine Harley Davidson. Sie war zwar nicht die schnellste, doch Suko hatte sich regelrecht in die Maschine verliebt. Mit ihr zusammen hatte er schon so manchen Sturm überstanden.
»Man hört immer noch nichts«, meinte Shao. Ihre glatte Stirn hatte sie in Falten gelegt.
Suko ließ die Zeitschrift sinken. »Wer keine Sorgen hat, der macht sich welche«, erwiderte er. »Vielleicht putzt sie auch nur Staub und saugt später.« Er grinste. »Du kannst ja hingehen und ihr etwas helfen, wenn es dir zu langweilig ist.«
»Davon habe ich nichts gesagt.« Shao drehte sich um die eigene Achse und ließ sich auf Sukos Schoß fallen. Dabei klaffte der Ausschnitt der weitgeschnittenen Bluse
Weitere Kostenlose Bücher