0116 - Der Tod stand neben uns
überrascht, dann sagte er leise: »Danke. Danke sehr. Sie wissen nicht, wie viel das für mich bedeutet. Ich habe nämlich niemand mehr. Meine Eltern sind im vorigen Jahr umgekommen, als man die Lohnbuchhaltung der Ronalds Werke ■ausplünderte. Meine Mutter war dort Buchhalterin, sie wurde erschossen. Mein Vater drängte sich durch die Arbeitskollegen, die mit erhobenen Händen dastanden, und schlug einen der Gangster nieder. Daraufhin wurde er buchstäblich vor den Augen der anderen von den sechs Gangstern totgeprügelt…«
Wir schwiegen. Es war nicht das erste Mal, dass wir von derartigen Tragödien erfuhren.
***
Sie hatten die Sache wirklich großartig organisiert. Auf Minuten und Meter war alles festgelegt worden. Und sie hatten sich die erforderliche Zeit zu den Vorbereitungen gelassen.
Es sollte wirklich der ewig von allen Gangstern erträumte große Coup ihres Lebens werden.
Earl Lofty, der Kneipenwirt, widmete sich an diesem Vormittag einer recht merkwürdigen Beschäftigung. Kaum hatten die Gangster die Kneipe verlassen, da ging er hinauf in sein Zimmer und schleppte zwei schwere Koffer hinab in den Hof. Er lud sie in einen Fairlane und schloss den Wagen sorgfältig ab.
Danach machte er noch einen kurzen Rundgang durchs Haus. Er ließ seinen Blick über die vielen vertrauten Gegenstände schweifen, dann raffte er sich plötzlich auf und schloss die letzte Tür hinter sich ab.
Er stieg in einen mausgrauen Ford und fuhr ihn an den Hinterausgang einer Warenhausfiliale. Er stieg aus, schlug die Tür zu und ging zur nächsten Straßenecke. Dort winkte er sich ein Taxi, von dem er sich zurück zu seiner Kneipe fahren ließ.
Aber er betrat nicht das Lokal, sondern ging wieder in den Hof, wo noch immer vier Wagen herumstanden. Er kletterte in einen gelben Lincoln und fuhr in zügigem Tempo abermals vor den Hinterausgang des Warenhauses.
Wieder ließ er den Wagen stehen und nahm sich an der Ecke ein Taxi. Abermals wurde er zu seiner Kneipe zurückgefahren. Diesmal stieg er in einen hellblauen Dodge, den er in eine Seitenstraße neben einer Schuhfabrik abstellte.
Zum vierten Mal benutzte er ein Taxi, um von seinem Hof noch einen rosa-weißen Mercury zu holen und in die Nähe der Schuhfabrik zu bringen. Schwitzend stieg er aus. Als er auf seine Uhr blickte, lächelte er zufrieden. Seinen Teil hatte er erfüllt. Jetzt war nur noch zu hoffen, dass es bei den anderen so klappen würde, wie es geplant war.
Zum fünften Mal stieg er in ein Taxi und fuhr zurück. Aber diesmal war es endlich der eigene Wagen, in den er steigen konnte. Er fuhr zur zweiundzwanzigsten Straße und meldete sich in einem Wolkenkratzer bei einem gewissen Mr. Stonder.
»Na, Lofty!«, sagte der dicke Grundstücksmakler, »da sind Sie ja! Ich dachte schon, Sie hätten sich es anders überlegt.«
»Aber nein«, sagte Lofty und ließ sich in den tiefen Schaumgummisessel fallen, der ihm mit einer Handbewegung angeboten wurde.
»Haben Sie eben die Nachrichten gehört?«, fragte Stonder.
Lofty schüttelte den Kopf. »No. Warum? Was Besonderes? Formosa, was?«
»Das meine ich nicht. Da unten ist ja dauernd was. Verstehe sowieso nicht, was wir für einen Narren an den Chinesen gefressen haben, dass wir uns unbedingt für die noch schlagen müssen. No, ich meine die Sache mit der Post.«
Lofty hob den Kopf. In seinem Gesicht stand ein einziges, großes Fragezeichen. Er war kein schlechter Schauspieler, und er hatte seine Nerven in der Gewalt.
»Mit der Post?«, wiederholte er verständnislos. »Werden die Portokosten schon wieder erhöht?«
Stonder lachte.
»Sie haben wirklich nicht die blasseste Ahnung! No! Da haben so ein paar Gangster doch glatt ein Postamt ausgeräubert! Überlegen Sie sich das! Ein Postamt!«
Lofty lächelte dünn. »Soll wohl ein neuer Witz werden, was?«
Stonder schüttelte energisch seinen massigen Schädel.
»No, verdammt noch mal! Blutige Wirklichkeit, Mann! Es waren mindestens zwölf, wahrscheinlich aber noch mehr Mobster. Sie müssen die Sache verdammt geschickt eingefädelt haben.«
»Und die haben am helllichten Tag ein Postamt ausgeräubert?«, fragte Lofty mit fassungslosem Kopfschütteln.
»Ja, Mensch! Wenn ich es Ihnen doch sage! Kam eben in den Nachrichten. Und raten Sie mal, was die Halunken erbeutet haben!«
Lofty zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung! Zehntausend?«
Stonder lehnte sich zurück und lachte.
»Zehn? Einhundertfünfzigtausend Bucks mindestens! Das ist die erste grobe Schätzung,
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