0116 - Der Tod stand neben uns
und einem Bleistift. Er kritzelte ein paar eigenwillige Striche auf das Papier, legte prüfend den Kopf zur Seite und sagte: »Ja. So sah sie aus.«
Er reichte mir das Blatt. Ich betrachtete es. An einem längeren Strich hingen zwei kurze, die sich gabelten und in einem Winkel von annähernd vierzig Grad auseinanderliefen.
»Auf der Narbe war kein Haarwuchs«, erklärte der junge Mann eifrig. »Ringsherum wuchs Haar, und deshalb leuchtete die Narbe richtig heraus.«
»Welche Schläfe war es?«, fragte ich, indem ich mich genau vor ihn hinstellte und an meine rechte Schläfe tippte. »Diese?«
»No, auf der anderen Seite.«
»Danke, mein Bester«, sagte ich. »Überlegen Sie, ob Ihnen noch mehr solche schönen Sachen einfallen. Aber erfinden Sie nichts! Das würde uns verdammt behindern. Übrigens: Wie alt mochte der Spanier gewesen sein? Oder wollen Sie darüber lieber nichts sagen?«
»Moment…« Er dachte nach, und dann meinte er: »Mindestens siebzehn, höchstens dreißig, Sir. Ich habe die Grenzen absichtlich weit auseinandergeschoben. Siebzehn wäre schon sehr unwahrscheinlich, aber ich denke mir…«
Ich grinste.
»Sie denken geradezu kriminalistisch fachgerecht, mein Lieber. Okay, überlegen Sie weiter. Ich bin gleich wieder da.«
Ich ging zu meiner Ferngesprächszelle und rief wieder das FBI an.
»Cotton, Einsatz Postamt vier«, meldete ich mich wieder. »Bitte unser Archiv.«
»Archiv«, kam ein paar Sekunden später durch die Leitung.
»Hier ist Jerry. Sucht mir sämtliche Karten von vorbestraften Spaniern im Alter zwischen siebzehn und dreißig Jahren heraus und schickt sie in mein Office. Ich schicke euch auch was. Und zwar die Skizze einer Narbe, die sich an der rechten Schläfe eines Mannes befindet, an dem ich ein brennendes Interesse verspüre. Versucht, ob wir einen solchen Burschen in unserer Kartei haben. Falls ja, seine Karten und Bildchen ebenfalls in mein Office.«
»Okay. Jerry. Wir machen uns sofort auf die Suche. Den Spanier haben wir schnell gefunden. Eine Abteilung unserer Kartei ist nach Nationalitäten geordnet, und wir brauchen da ja nur auf die Geburtsdaten zu sehen. Es werden nicht viel werden, höchstens zwanzig. Spanier haben wir nicht allzu viele.«
»Umso besser«, brummte ich. »Ich schicke euch jetzt die Skizze von der Narbe.«
»Okay, Jerry.«
Ich legte den Hörer auf und verließ die Zelle. Am Eingang standen noch die beiden uniformierten Cops, die vorhin geholfen hatten, die Neugierigen zu entfernen. Sie warteten sichtlich auf weitere Weisungen.
Ich ging zu ihnen.
»Können Sie mir einen Gefallen tun, Kollegen?«, fragte ich.
Sie schwollen an, weil sie ein G-man »Kollege« genannt hatte.
»Selbstverständlich, Agent«, erklärten sie wie aus einem Mund.
Ich gab ihnen die Skizze.
»Dieser Zettel muss auf schnellstem Weg ins Archiv des New Yorker FBI. Können Sie ihn hinbringen?«
Sie nickten und wiederholten diensteifrig: »Selbstverständlich, Agent.«
»Gut. Dann sagen Sie im Archiv bitte, Sie kämen von Cotton. Man möchte Ihnen die Karten mitgeben, um die ich gebeten hätte. Man soll sie auf meinen Namen ins Ausgangsbuch einträgen.«
»Die erbetenen Karten auf Agent Cottons Namen!«, wiederholte einer sehr korrekt.
»Sehr richtig.«
»Wir fahren sofort, Agent!«
Sie drehten sich auf den Absätzen um und verließen das Postamt durch den Haupteingang. Gleich darauf hörte ich draußen die Sirene ihres Streifenwagens aufheulen.
Sie hatten, soweit sich das nach ein paar Minuten Ermittlungsarbeit feststellen ließ, ein paar Fehler gemacht, aber der größte war, dass sie mit so vielen gekommen waren. Obgleich sie es andererseits überhaupt nicht mit wenig Leuten hätten durchführen können.
Jedenfalls kam die ganze Sache schon sehr schön in Schwung. Und das war auch etwas wert…
***
Die Gangster wurden ungeduldig.
Vielleicht hat man die Salve aus der Tommy Gun draußen gehört?’, fragten sich einige.
»Los, schneller!«, fuhren sie die Beamten an den Schaltern an.
Von denen hofften einige, dass die Polizei noch rechtzeitig aufkreuzen würde. Ihnen selbst hatte die Salve so laut in die Ohren geklungen, dass sie meinten, man hätte sie bis hinüber in die Bronx hören müssen.
Schneller als vierzig Sekunden brauchen wir nicht zu sein, sagte sich Peer Loger. Selbst wenn jemand die Salve gehört hat und die Polizei anruft, können die Cops nicht unter zwei, drei Minuten hier eintrudeln. Und sollte zufällig gerade ein Streifenwagen
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