0135 - Der Moloch
und der rechte Vorderreifen hätte die Frau zermalmt.
Albert atmete auf.
Zwei Sekunden ließ er verstreichen. Sein Herz hämmerte wild, dann schwang er sich zur Seite und öffnete die Tür. Er sprang nach draußen und glaubte, in der Ferne einen Motor zu hören. Er kümmerte sich nicht weiter darum und ging neben der auf dem Boden liegenden Frau in die Knie.
Sie lag auf der Seite. Das lange schwarze Haar war ausgebreitet wie ein dunkles Vlies. Im ersten Augenblick glaubte der Fahrer, eine Tote vor sich liegen zu haben, doch als seine Blicke über den Körper wanderten, sah er keine Verletzung.
Vorsichtig drehte er die Frau auf den Rücken.
Er schluckte. »Eine Chinesin«, flüsterte er. »Wie… wie ist das möglich?«
Der gute Mann war völlig durcheinander, und so dauerte es ein wenig, bis er auf den naheliegenden Gedanken kam. Er prüfte, ob die Frau tatsächlich noch lebte.
Albert Raysner hob den Arm der Frau an und fühlte nach dem Puls. Positiv.
Dem Fahrer fiel ein Stein vom Herzen. Als er in das Gesicht schaute, bemerkte er den dunklen Fleck am Kinn und die Beule, die langsam größer wurde. Dort mußte die Frau ein Schlag getroffen haben.
Albert wischte sich über die Stirn. Er überlegte fieberhaft, was er machen sollte.
Dann hatte er die Idee und ärgerte sich gleichzeitig, wieso er nicht schon früher darauf gekommen war. Sein Wagen besaß Sprechfunk. Er lief zurück, kletterte in das Führerhaus und setzte sich mit der Zentrale in Verbindung.
»Ihr… ihr müßt sofort einen Krankenwagen schicken«, haspelte er. »Ich habe hier eine Verletzte, nein, eine Bewußtlose gefunden. Und die Polizei soll auch…«
Es dauerte einige Zeit, bis Albert einen einigermaßen klaren Bericht durchgeben konnte. Danach bekam er die Anordnung zu warten.
Albert stieg wieder aus und stellte sich neben die Bewußtlose.
Vorhin schon war ihm das Messer aufgefallen, das dicht neben dem Kopf der Frau im Boden steckte.
Bis zum Heft war die Klinge in die Erde gerammt worden.
Warum nur? Was war der Grund? Albert überlegte fieberhaft, aber er kam auf keine Lösung.
Ungeduldig wartete er, griff in die Tasche und holte die Blechschachtel mit den Zigarillos hervor. Hastig zündete er sich ein dünnes Stäbchen an und paffte die Wolken in die klare Herbstluft.
Er schwitzte. Sein Hemd zeigte dunkle Flecken unter den Achseln. Seine Hände zitterten.
Himmel, wenn doch endlich die Polizei kommen würde! Hin und wieder warf er einen scheuen Blick auf die Chinesin. Er war von ihrer Schönheit angetan.
Endlich vernahm er das Wimmern der Sirenen. Winkend lief er den Polizisten entgegen. Hinter dem Fahrzeug tauchte auch der helle Wagen der Ambulance auf.
Wenig später saß er im Polizeiwagen und erstattete Bericht. Die Bewußtlose war schon abtransportiert worden. Das Messer lag, sorgfältig in eine Plastiktüte gepackt, auf einem kleinen Tisch.
Es war die einzige Spur…
***
Als der erlösende Anruf kam, hatte ich abgenommen. Ein Konstabler Wainright wollte mich sprechen.
Und er brachte eine gute Nachricht. Shao war gefunden worden.
Lebend. Ich atmete auf.
»Und was ist mit der anderen Frau?« wollte ich dann wissen.
»Davon weiß ich nichts. Tut mir leid.«
Ich spürte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Die Finger umkrampften den Hörer so hart, daß meine Knöchel spitz hervorstachen.
»Schon gut, Konstabler«, sagte ich und legte auf.
Suko schaute mich fragend an. »Sie haben Shao gefunden. Bewußtlos. Es scheint alles okay zu sein.«
»Wo ist sie jetzt?«
Verdammt, das hatte ich ganz vergessen zu fragen. Ich rief den Einsatzleiter an und erfuhr, daß man sie in das Chelsea Royal Hospital gebracht hatte.
Und dort saßen wir jetzt.
Bill Conolly war natürlich mitgefahren. Das wollte er sich nun doch nicht nehmen lassen. Meine Sorgen um Jane aber wurden immer größer. Ich war wirklich auf Shaos Aussage gespannt, – aber noch war sie nicht erwacht.
Wir saßen auf einer Bank im langen Flur. Alle drei kamen wir uns komisch vor. Jane Collins war verschwunden, Shao gerettet.
Suko und Bill fühlten mit mir. Sie konnten sich vorstellen, wie es in meinem Innern aussah.
Dann wurde eine Tür geöffnet. Lächelnd erschien eine Krankenschwester. »Sind Sie die Gentlemen von Scotland Yard?«
»Ja«, sagte ich.
»Sie können jetzt mitkommen, bitte.«
Wir wurden in Shaos Zimmer geführt.
Die Chinesin lag in einem breiten Bett. Obwohl sie einiges hinter sich hatte, lächelte sie uns an und setzte sich.
Wir
Weitere Kostenlose Bücher