0149 - Wir jagten die Ratten
fuhr uns Selby an.
»Geht keinen was an«, murmelte Phil. »Lassen Sie uns in Ruhe!«
»Okay«, erwiderte Selby. »Zahlt eure Zeche und verschwindet. Morgen vormittag meldet ihr euch auf dem Rauschgiftdezernat, um das Protokoll zu unterschreiben. Und wenn ich euch einen guten Rat auf den Weg geben darf: sucht euch ein anderes Stammlokal.«
Phil verließ das ›Ali Baba‹, ich folgte nach einigen Minuten.
Es hatte zu regnen begonnen. Die Lichtreklamen des Nachtlokals spiegelten sich auf dem nassen Asphalt wider. Schräg gegenüber parkten zwei Mannschaftstransportwagen.
»Hier bin ich, Jerry«, flüsterte eine bekannte Stimme.
Ich drückte mich neben Phil an die Wand.
»Sag mal, was hattest du dir eigentlich von dem Ausflug versprochen?« fragte ich.
»Kinen Weg, um zu den ›Ratten‹ zu gelangen, Jerry«, flüsterte Phil. »Bleib du hier! Wir warten, bis Casetti herauskommt und verfolgen ihn.«
»Gibt es sonst etwas Neues?«
»Nein. Aber bei dir?«
»Auch nichts.«
Wir mußten etwa eine halbe Stunde warten. Nacheinander brachten die Polizisten diejenigen Gäste heraus, die sich entweder nicht hatten ausweisen können oder in der Fahndungsliste standen.
Dann später strich jemand dicht bei uns vorbei und pfiff ein paar Takte des River-Kwai-Marsches.
»Hier!« raunte Phil.
Leutnant Selby trat zu uns.
»Hallo — ist es Zufall, daß ich Sie hier treffe, oder hat es etwas zu bedeuten?«
»Reiner Zufall«, erwiderte ich schnell. »Mit der Rauschgiftsache haben wir nichts im Sinn. Und was ist Ihre Absicht?«
»Ich habe einige gesuchte Leute gefunden. Alles kleine Fische. Die Hauptattraktion ist daneben gegangen. Ich wollte endlich Snuffle-Jack das Handwerk legen. Aber der Bursche hatte weder Kokain noch Heroin bei sich. Und dabei hätte ich schwören mögen, ihn diesmal überführen zu können.«
Ich hatte Verständnis für ihn. Ich kenne die harte Arbeit des Rauschgiftdezernats. Die Beamten verzettelten sich darin, kleine Letztverteiler zu fangen, die bestenfalls den Zwischenhändler kennen, und an die Großen kommen sie nicht heran. Diese schirmen sich zumeist so gut ab, daß sie beinahe unangreifbar sind.
»Sie lagen durchaus nicht schief, Selby«, sagte ich. »Jack hatte Ware bei sich. Aber kurz bevor Sie an ihn herantraten, hat Casetti das Gift in seine Limonade geschüttet. Ich wette jeden Betrag, daß es inzwischen längst durchs Abflußrohr in den Kanal geflossen ist.«
Selby ertrug den Tiefschlag mit Galgenhumor, Mir kam plötzlich eine Idee. »Ich rate Ihnen, Leutnant, sich mal mit Casetti näher zu beschäftigen. Vielleicht bietet er Ihnen eine einmalige Chance, zu einer großen Karriere zu kommen. Könnte nämlich sein, daß er mit den ›Ratten‹ zusammenhängt.«
Selby war überrascht. »Donnerwetter«, murmelte er. »Okay, für den Hinweis bin ich Ihnen dankbar. Kann ich irgend etwas für Sie tun?«
»In Ruhe lassen. Das ist das einzige, was Sie für uns tun können«, brummte Phil.
Selby entfernte sich.
Wir standen und warteten treu und unverdrossen auf Casetti, aber er tauchte nicht auf. Gegen zwei Uhr morgens erkannten wir, daß er uns überspielt hatte.
***
»Es ist eine Schande«, sagte Mary Easters am nächsten Morgen beim Frühstück zu mir. »Sie sehen heute miserabel aus, Jerry.«
Sie verzog verächtlich den Mund.
Über irgendeine Kleinigkeit begann sie sich mit Corry zu streiten, um dann aber plötzlich wieder zum Thema zurückzufinden. Sie seufzte abgrundtief.
»Die Männer sind eben alle gleich, ganz egal, ob sie Chauffeure oder Fabrikbesitzer sind. Auch Mr. Drobb, unser hoher Chef, ist in dieser Beziehung nicht hasenrein. Na, ich könnte Ihnen eine lange Geschichte von ihm und Miß Crest erzählen!«
Meine Neugierde war geweckt. »Sie meinen natürlich seine reizende Sekretärin?«
»Mary«, sagte der Diener mit erhobener Stimme, »es gibt Gesprächsstoffe, die für unsereinen tabu sind. Im übrigen sollten Sie nicht verallgemeinern. Mir können Sie nichts Böses nachsagen. Und ich bin doch auch ein Mann.«
Mary duckte sich wie unter einer Ohrfeige, behielt aber das letzte Wort:
»Sie wollen ein Mann sein, Mister Corry? Sie sind bestenfalls eine guterhaltene, des öfteren abgestaubte Figur!«
Mrs. Drobbs Erscheinen in der Küche beendete den Streit. Die hübsche Frau trug ein enges Seidenkleid und wirkte frisch wie der junge Morgen. Dennoch war nicht zuübersehen, daß irgend etwas sie bedrückte.
»Mein Mann ist schon ins Geschäft gegangen, Jerry«, sagte
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