0153 - Sie nannten sich Löwen und Tiger
schwarzen Anzug und mit nervös zuckendem Mund dabeistand und ging, noch ehe die letzten Schollen ins Grab gepoltert waren.
Um vier Uhr kam ein Anruf von Forrester. Er war in höchster Aufregung. Zwei Dinge waren gleichzeitig geschehen. Seine Frau hatte das Scheidungsbegehren wegen erwiesener ehelicher Untreue eingereicht, und in seinem Briefkasten fand er einen mit der Schreibmaschine getippten Zettel des Inhalts, das der Schreiber die Anschuldigungen, die das Revolverblatt gegen ihn erhoben hatte und auf denen die Scheidungsklage beruhte, mit Leichtigkeit entkräften könne, wenn Forrester sich bereit erklärte, ihm 10 000 Dollar zu zahlen. Danach kam noch die zynische Bemerkung, dass dieser Betrag sicherlich weniger als den zehnten Teil dessen darstelle, was Forrester, sollte er schuldig geschieden werden, zahlen müsse.
Ich bat ihn, den Brief sofort zu schicken. Es ging mir dabei weniger darum, den Schauspieler vor einer Erpressung zu bewahren, als um die Tatsache, dass nur ein einziger Mensch als Briefschreiber in Frage kommen konnte. Und das war Fernando Valgas, der auch der Informant der Zeitung gewesen sein musste. Annie kam nicht in Betracht, sie befand sich in Haft.
Es wurde sechs Uhr, es wurde sieben, es wurde acht - und nichts geschah. Die Polizei aller Staaten jagte Fernando Valgas, der spurlos verschwunden war. Von den vierundzwanzig Stunden, die Dr. Bonnister seiner todkranken Patientin als Höchstmaß zugestanden hatte, waren bereits neun verstrichen.
Als um acht Uhr das Telefon auf meinem Schreibtisch rasselte, fuhr ich auf. Es war Viola.
»Ich muss leise sprechen, damit mich niemand hört«, sagte sie mit unterdrückter Stimme. »Vor fünf Minuten kam ein Anruf. Ich erkannte die Stimme sofort. Es war Valgas. Er hielt mich für Marcia und redete mich so an. Ich ließ ihn bei dieser Annahme, und da bestellte er mich um neun Uhr an die Nordostecke des Central Park, an der Kreuzung von Parkway und Fifth Avenue. Er sagte, ich solle hier und zu Hause alles im Stich lassen und nur einen kleinen Koffer mitbringen. Natürlich meinte er nicht mich, sondern Marcia. Ich beschränkte mich darauf, immer nur ja zu sagen.«
»Hat bestimmt niemand mitgehört?«, fragte ich.
»Nein, sicherlich nicht. Wenn in zehn Minuten meine Ablösung kommt, fahre ich nach Hause und hole mir einen kleinen Koffer. Ich kann mir hier keinen beschaffen, ohne dass es auffällt. Dagegen ist es mir möglich, einen Mantel mitzunehmen, der Marcia gehört. Dann habe ich ein kleines Hütchen, das dem ihrigen gleicht. Da wir von gleicher Größe sind, wird das in der Dunkelheit nicht auffallen.«
»Und was versprechen Sie sich davon?«, fragte ich ein wenig verwundert.
»Ich will, dass dieser Lump, der mich so hinters Licht geführt hat, seine Strafe bekommt. Wenn er niemand an der Ecke warten sieht, so wird er unter Umständen vorbeifahren. Nur müssen Sie zur gleicher Zeit da sein.«
»Und ob ich da sein werde«, versprach ich. »Seien Sie nur vorsichtig, damit er Sie nicht zu früh erkennt.«
Wir verabredeten noch ein paar Einzelheiten, und ich legte auf. Wenn ich nicht besonderes Pech hatte, würde ich mein Versprechen halten können. Ich musste auch daran denken, wie schnell enttäuschte Liebe in Hass Umschlägen kann. Noch vierundzwanzig Stunden vorher hätte Viola es entrüstet abgelehnt, etwas gegen Valgas zu unternehmen und heute lieferte sie ihn ans Messer.
***
Um halb neun fuhren Phil und ich los, und um fünf vor neun hielten wir an der verabredeten Stelle. Im Allgemeinen ist gerade an diesem Punkt starker Verkehr, aber um diese Zeit waren Leute, die aus der Stadt nach Hause wollten, schon längst angekommen, und andererseits hatten die Vorstellungen der Theater bereits begonnen. Darum war es recht ruhig. Nur wenige Wagen und Fußgänger bummelten über den Frawley Circle.
Ab und zu rumpelte ein Bus vorbei, ein paar Pärchen bogen in den Park in Richtung auf den Harlem See. Natürlich waren wir so vorsichtig, uns nicht genau an der Ecke aufzustellen. Wir wollten weder die Aufmerksamkeit der Polizei noch das Misstrauen von Valgas erregen.
Eine Minute vor der angegebenen Zeit sah ich Violas. In einem weiten Mantel und mit in die Stirn gezogenem Lederhütchen hätte man sie bei der schlechten Beleuchtung mit Marcia verwechseln können. Sie hatte einen kleinen Reisekoffer neben sich auf das Pflaster gestellt und hielt sich im Schatten eines vorspringenden Erkers.
Neun Uhr…
Ich fingerte an meiner Smith & Wesson herum
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