0154 - Der Schädelberg
Nicole! Ich…«
»Ich verstehe, daß du dich mit ihm triffst«, unterbrach ihn Nicole. »Du willst Gedanken mit ihm austauschen. Dufay ist eine Kapazität. Von solchen Leuten kann man immer lernen. So waren doch deine Worte? Da wäre ich nur im Weg.«
»Du bist mir nie im Weg. Das weißt du.«
»Nun, es bleibt immer noch die unerledigte Arbeit!«
»Es ist das einzige Argument, das ich gelten lasse!«
Sie trat zwei Schritte zurück und salutierte.
»Jawohl, Chef!« Sie lachten beide und umarmten sich abermals.
»Paß gut auf dich auf, Chef!«
»Werde es mir merken, Chérie!« Ein letzter Abschiedskuß. Zamorra akzeptierte Nicoles Entschluß.
Ja, und dann war er gegangen. Immer wieder dachte Nicole daran. Am Abend war sie unruhig geworden. Sie war keine Parapsychologin und hatte auch keine übernatürlichen Fähigkeiten - aber einen wachen Instinkt.
Auf einmal war sie überzeugt davon, daß Professor Zamorra etwas zugestoßen war. Deshalb ihr Anruf im Hotel. Es war ein Anruf in Dufays Villa gefolgt. Niemand hatte abgehoben.
»Da stimmt etwas nicht!« murmelte sie vor sich hin. »Ich mache mir bittere Vorwürfe, daß ich nicht mitgereist bin. Die verdammte Arbeit hätte auch noch länger warten können. Jetzt kann ich mich ohnehin nicht mehr darauf konzentrieren.«
Entschlossen griff sie erneut zum Hörer und hob ihn ab. Sie kannte die Nummer vom Hotel inzwischen auswendig und drehte sie in die Scheibe.
Das Freizeichen auf der anderen Seite der Leitung. Nicole wartete bis zum Abläuten. Niemand ging dran.
Das war auch beim zweiten und beim dritten Mal so. Wieso meldete sich der Nachtportier nicht mehr?
Vielleicht gehe ich ihm auf den Wecker, und er hebt deshalb nicht mehr ab? überlegte sie. Nein, das konnte unmöglich der Grund sein. Woher sollte der Nachtportier wissen, wer anrief?
Sie probierte es in der Villa von Dufay. Es war nach Mitternacht. Auch in der Villa schien niemand zu sein.
In ihrer Kehle bildete sich ein Kloß. Sie knallte den Hörer auf die Gabel und sprang auf.
Sie konnte schlecht die Polizei anrufen und von ihren Ahnungen erzählen. Die hätten sie für verrückt erklärt. Möglicherweise sorgte sie sich umsonst, und die beiden Wissenschaftler saßen in irgendeiner Kneipe und gossen sich Alkohol in die gelehrten Köpfe.
Nicole ballte die Hände zu Fäusten.
Wie dem auch sei, ich werde nicht mehr länger warten, sondern handeln!
Sogleich ging sie in ihr Zimmer und packte. Normalerweise war das ein besonderes Problem für sie. Nicole konnte sich nie entscheiden, welche Kleider sie mitnehmen sollte. Diesmal ging es ausnahmsweise sehr schnell. Sie achtete kaum auf den Fummel, den sie in ihren Koffer stopfte. Knitterfalten, die dabei unweigerlich erzeugt wurden, störten sie ebenfalls nicht.
In Rekordzeit war sie fertig. Ihre Gedanken weilten bei Professor Zamorra: Dich kann man doch keinen Augenblick allein lassen. Schon muß man sich Sorgen machen!
Eigenhändig schleppte sie den Koffer in die Halle hinunter. Im Haus blieb alles ruhig. Der Butler schlief tief und fest. Nicole wollte ihn nicht extra wecken. Deshalb legte sie einen Zettel auf den Tisch: »Bin unterwegs zum Chef. Melde mich telefonisch, wenn ich angekommen bin!«
Dann ging sie zur Tür.
Der Nachthimmel war bewölkt. Ein Gewitter zog herauf. Nicole erschien es wie der Vorbote des Schreckens.
Vielleicht ist es längst schon zu spät und Professor Zamorra verloren?
***
Normalerweise wäre Josquin Dufay, der holländische Parapsychologe, längst daheim gewesen, aber es gab einen schlimmen Zwischenfall.
Unterwegs beschäftigte er sich ständig mit dem Tor nach Zartas. Alles hatte eine Richtung eingeschlagen, die er nicht beabsichtigt hatte.
Sein Herz klopfte heftig, seine Handinnenflächen wurden feucht. Ja, es war alles anders als berechnet. Wie weit war er schon vom Hotel entfernt? Dennoch spürte er die Energien, die das Tor geschaffen hatten. Sie steckten in seinem Körper, laugten ihn aus.
Er erkannte, daß es für ihn kein Entrinnen mehr gab.
Unwillkürlich trat er das Gaspedal stärker durch. Er sah seine einzige Chance darin, zur Villa zurückzukehren und sich aus dem Arsenal von Kultgegenständen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten, die richtigen auszusuchen. Er brauchte weitere magische Hilfsmittel, da die eingesetzten nicht mehr ausreichten.
Wäre es nicht doch besser gewesen, Zamorra gleich ins Vertrauen zu ziehen? dachte er. Dabei kam es ihm ketzerisch gegenüber seinen Plänen vor. Es
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