0154 - Desteros Rache
legte er auf Bills Schreibtisch, nachdem die Platte zuvor mit einem Tuch abgedeckt worden war. Dann machte er sich an die Arbeit. Aus seinem Koffer holte er allerlei Salben und Farben, schmierte die Wachspuppe damit ein, griff zu Pinsel, Stift und kleinem Federmesser und arbeitete konzentriert. Ich saß still im Sessel und hing meinen Gedanken nach. Nach wie vor zitterten wir. Würde Destero den großen Bluff schlucken? Das allein war die große Frage. Wir beteten, daß er darauf hereinfiel, denn sonst sah ich für den kleinen Johnny keine Chance mehr. Destero würde ihn umbringen, er kannte da keine Gnade. Wir hatten ausgemacht, daß ich mich im Keller der Conollys versteckte und erst wieder in Erscheinung trat, wenn Destero Bedingungen gestellt hatte.
Dreißig Minuten vergingen. Da der Maskenbildner ununterbrochen qualmte, lag eine dichte Nebelwolke im Raum. Hin und wieder sprach er auch. Zumeist beschwerte er sich, daß er in einen Sarg gelegt worden war. »Es ging nicht anders«, sagte ich.
»Ihr nehmt aber auch überhaupt keine Rücksicht auf einen sensiblen Menschen.«
»Es sind besondere Umstände eingetreten. Das Leben eines Kindes hängt von deiner Arbeit ab.«
Ron Garret unterbrach seine Tätigkeit. »Wirklich?« hakte er nach.
»Oder sagst du das nur so?«
»Nein, Ronny.«
»Dann will ich mich nicht beschweren«, sagte er. Er hatte ungeheuer geschickte Hände. Und er schaffte es tatsächlich, aus der Wachspuppe ein Ebenbild von mir zu machen. Er hätte wirklich als freier Künstler mehr Geld verdienen können als bei uns, aber er ging vom Yard nicht weg. Was ihn hielt, wußte ich auch nicht.
»Und nun noch die Perücke«, sagte er. Er nahm sie, und wieder wunderte ich mich.
Das Haar hatte dieselbe Farbe wie meins. Er setzte die Perücke auf den nackten Kopf, nahm einen Kamm und kämmte das Haar durch. Jetzt brauchte er mich nur noch anzuziehen. Dabei half ich ihm.
Fünf Minuten später stand dort ein fertig nachgebauter John Sinclair. Auch die Größe stimmte. Ich rief die beiden Conollys.
Als sie das Zimmer betraten, blieben sie überrascht auf der Schwelle stehen und staunten.
Ronny lächelte. »Ja, es war gar nicht so einfach, aber ich habe es gepackt.«
Bill nickte. »So langsam glaube ich auch, daß die Idee meiner Frau nicht schlecht war.«
»Hast du deine Waffe mit?« fragte ich.
»Wieso?«
Ich lächelte Bill an. »Dieser Sinclair ist zwar schön, aber wir müssen ihm doch ein Einschlußloch in seinen Schädel verpassen.«
»Du willst das Werk zerstören?« rief Ron Garret.
»Leider.«
»Und ich habe mir solche Mühe gegeben, aber Undank ist der Welten Lohn, das habe ich ja gleich gesagt.«
Ich kümmerte mich nicht um den Maskenbildner und streckte meinen Arm aus. »Gib mir die Luger, Bill. Oder willst du selbst schießen?«
»Nein, um Himmels willen.« Er zog die Waffe aus dem Hosenbund und reichte sie mir.
Ich nahm ein Kissen, hielt es vor den Lauf, damit der Schall gedämpft wurde, zielte und feuerte.
Das Geschoß hieb durch das Kissen und klatschte gegen den Wachsschädel, wo er eine fingertiefe »Wunde« hinterließ. Sie befand sich direkt hinter dem linken Ohr. Während Garret jammerte, sagte ich nur: »Gib mir ein wenig Blut, Ronny.«
So etwas führte er auch mit sich. »Aber laß es mich machen«, flüsterte er mit erstickt klingender Stimme. Er träufelte ein wenig von der Flüssigkeit in die Wunde, die dem normalen Menschenblut täuschend ähnlich sah. Einen Unterschied konnte man wirklich nicht feststellen. Ein feiner Faden rann noch an dem Wachsschädel entlang und fing sich am Beginn des Halses in einem dicken Tropfen. Der nachgemachte John Sinclair sah wirklich makaber aus.
Der Meinung waren auch Sheila und Bill. Hoffentlich würde Destero den Bluff auch schlucken! Ich zitterte innerlich, und es war schwer, meine Nerven unter Kontrolle zu bekommen.
»Was geschieht jetzt mit ihm?« wollte der Maskenbildner wissen.
»Wir legen ihn in den Sarg.«
»Auch das noch.« Theatralisch rang er die Hände und drehte sich einmal im Kreis.
Die Totenkiste schleppten Bill und ich herbei. Der Sarg war wirklich schwer, und wir hatten zu schleppen. Schließlich stand er im Arbeitszimmer.
»Ich würde ja auch noch Kerzen aufstellen«, schlug Ron Garret vor.
»Darauf verzichten wir«, erwiderte ich.
Ich faßte die Puppe an den Schultern, und Bill packte sie an den Füßen an. Dann legten wir »mich« in den Sarg. Sheila konnte den so täuschend echten Anblick nicht ertragen
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