0159 - Der Engel, der ein Teufel war
mir förmlich den Atem. Jane, dachte ich. Himmel, was passiert bloß mit mir…
Dann: Leere.
Irgend etwas verdrängte mich, schlug zu, schmetterte mich in die tiefsten Tiefen meines Bewußtseins hinunter, der Schmerz, der mich oder mein Ego? durchraste, war höllisch. Ich begriff, daß da eine grausame Teufelei ablief, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Das Etwas machte mich zu einem Gefangenen in meinem eigenen Schädel!
Ich konnte nur noch beobachten, mehr nicht…
Und auch das silberne Kruzifix, meine mächtigste Waffe im Kampf gegen die Schwarzblütler, das ich wie immer um den Hals trug, konnte mir diesmal offenbar nicht helfen!
Ein schwaches Prickeln rieselte davon aus, das war alles.
Shit auch! grellte es durch meinen Sinn.
Noch immer gab ich nicht auf.
Es flirrte und flimmerte vor meinen Augen, als ich ihre Hand berührte berühren mußte, meine restlichen noch einigermaßen klaren Gedanken wirbelten durcheinander, zerfaserten, ich starrte sie an…
Lavinia…
»Ich habe auf dich gewartet, John Sinclair«, hauchte sie.
Ich aber brachte kein Wort heraus. Sie nahm mich bei der Hand. »Komm, ich werde dir alles erklären. Komm mit mir. Du mußt mir helfen, ich brauche einen starken Mann mit deinen Fähigkeiten…«
Ich kam mir vor, als würde ich durch dicken, zähen Nebel waten, und so bewegte ich mich auch, behäbig und wie eingerostet.
Ich nahm meine Lederjacke vom Stuhl, warf sie mir nachlässig über die Schultern und folgte ihr.
Alles in mir aber war in Aufruhr.
Verdammt, warum merkt denn niemand etwas! Warum hilft mir keiner! Bill…
Die Gäste sahen nicht einmal auf. Und von Bill war weit und breit nichts zu sehen.
»Ich habe alles gut vorbereitet«, sagte sie lächelnd, und das zeigte mir, daß sie meine Gedanken lesen zumindest aber erraten konnte.
In der Situation gehörte auch nicht viel dazu.
Die Tür schlug hinter mir ins Schloß. Regendunst wehte heran, stäubte in mein Gesicht, aber auch das half nichts. Ich war nicht mehr Herr meiner selbst. Sie Lavinia beherrschte mich. Sie hatte mich verzaubert.
»Nimm das Kruzifix ab, John, du brauchst es nicht mehr.« Dieses Mal klang ihre Stimme eine Spur schärfer.
Ein würgender Kloß bildete sich in meiner Kehle, den ich hinunterschlucken wollte, es jedoch nicht schaffte.
Meine Hände kamen hoch, langsam, wahnsinnig langsam. Nein!
Tu es nicht! Wehr’ dich! schrie eine Stimme in mir, die aber gleich darauf in einer irren Implosion verfing.
Ich zitterte. Der kalte Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich knöpfte das Hemd auf, meine Fingerspitzen berührten das Silber, spürten die sanfte Wärme, die davon ausstrahlte…
»Wirf es weg!«
Ich streifte mir die Kette über den Kopf, an der das Kreuz baumelte. Ein silbriger Reflex gleißte auf, stach in die Dunkelheit Lavinias Gesicht war wie aus Stein gehauen. Ganz dicht stand sie vor mir, und wenn sie eine Dämonin war, dann mußte sie den Einfluß des Silberkreuzes doch spüren!
Aber sie reagierte nicht!
Ihr Gesicht war überschattet. Der rote Funke in ihren Augen aber glomm intensiver, und zwang mir ihren Willen auf, ich mußte ihr gehorchen, mir blieb keine Wahl. Mit einem jähen Ruck schleuderte ich das Kreuz von mir.
Sie entspannte sich. Der Wind fuhr in ihr Haar, zerzauste es, blähte es auf, und ein paar der langen Strähnen strichen in mein Gesicht.
»So, und jetzt komm mit mir, John Sinclair, wir haben noch viel vor in dieser Nacht.«
Willenlos, wie eine Marionette, die von einem unbarmherzigen Puppenspieler an nicht sichtbaren Fäden bewegt wurde, stelzte ich hinter ihr her, in die Regennacht hinein…
Ein teuflisch perfekt ausgeklügelter Höllenplan begann, sich abzuspulen…
***
Der Regen und die Kälte machten mir nichts aus.
Die Kälte aber, die in mir war, die machte mir höllisch zu schaffen. Ich versuchte wieder und wieder dagegen anzukämpfen, weigerte mich, mich in mein Schicksal zu ergeben. Dennoch war der Kampf aussichtslos.
»Du besiegst mich nicht, John Sinclair«, gurrte sie. »Gib es auf.«
Ich aber preßte meine Kiefer zusammen, die Wangenmuskeln zuckten. Gleichzeitig kam die Resignation. Sie flößte sie mir ein, und ich reagierte ganz, wie sie es wollte. Es war hart. Ich spürte einen Zorn in mir aufglühen, an dem ich fast erstickte, aber ich konnte nichts tun.
Dann sah ich den Jaguar.
Die Karosserie glänzte, der Regen perlte davon ab und rann in schmalen Schlierenbahnen zu Boden.
Die Scheiben waren ebenfalls mit Regenperlen verziert und
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