Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
Hinblick auf den worse case.
    Jagger schwang sich aus seinem Sessel. Das Empfängermodul schaltete sich automatisch aus. Er beugte sich über den Schreibtisch, um die Disc des DVD-Players zu wechseln. Raus mit den Nachrichten, hinein mit Charlie Chaplins »Moderne Zeiten«.
    Jagger stöhnte, als er die Stapel von Musik- CDs und CD-ROMs betrachtete, die noch auf den MMP übertragen werden mussten: Bachs Orgelfugen, Beethovens Sinfonien, Mozarts Opern, Gregorianische Gesänge, Stockhausens Zwölfton-Kompositionen, die Werke von Pink Floyd, Bob Dylan, den Beatles, Queen, den LCDs und so weiter. Dann Kompendien der Mathematik und der Physik, Standardwerke der Wissenschafts- und Kunstgeschichte, bedeutende Romane, Dichtungen und Dramen, Aristoteles, Shakespeare natürlich, Bücher über Spezialthemen der Chemie, der Molekular- biologie, der Astronomie, der Nanoelektronik et cetera.
    Jagger rauchte der Kopf. Jeden Tag fiel ihm ein halbes Dutzend weiterer Werke ein, die er unbedingt noch in den MMP einspeisen musste. Ihn trieb die Angst um, der Nachwelt durch seine subjektive Auswahl ein verzerrtes Bild seiner untergehenden Welt zu überliefern.
    Auch ein Stapel aktueller Veröffentlichungen über den Kalender der Maya lag zwischen Scanner und PC. Nicht der Ausstellung wegen wollte Jagger sie noch durcharbeiten - nein. Vielmehr hatte er sich inzwischen vergewissert, dass der alte Kalender tatsächlich mit dem Jahr
    2012 endete. Allerdings erst im Dezember. Jagger plante der Sache auf den Grund zu gehen. Wenn er Zeit dafür fand. Vielleicht war dieses merkwürdige Detail ja überlieferungswürdig.
    John und Percy drängten sich zwischen Regal und Blendwand in das improvisierte Arbeitszimmer. John setzte sich vor den PC.
    Percy wartete, bis »You can always get what you want«, verklungen war und schob dann Paganinis Capricen in den MicroDisc-Player. Jagger hatte seine Söhne eingearbeitet.
    »Wenn er kommt, wird es keinen Strom mehr geben«, sagte John unvermittelt.
    Das Problem hatte Jagger schon schlaflose Nächte gekostet. Unmöglich konnte er seine Aufgabe bis Anfang Februar erledigen. Eine Energiequelle musste her, damit er, sollte er nach dem 8. Februar noch leben, weiter arbeiten konnte. »Wenn du eine Idee hast, lass sie mich wissen, Johnny.« Er strich dem Jungen über die dunklen Locken. Wie sieht die Zukunft aus, die vor dir liegt, mein Sohn?, dachte er. Wird es für dich überhaupt eine Zukunft geben…? Das Herz wurde ihm schwer.
    »Wann ziehen wir hier ein, Dad? Wenn der Komet alles platt gemacht hat oder vorher schon?« Percy redete über die bevorstehende Katastrophe so selbstverständlich wie über einen geplanten Schulausflug. Einerseits. Andererseits merkte Jagger an dieser Frage, dass der Siebenjährige nicht in der Lage war, die Folgen eines Kometeneinschlags wirklich zu erfassen. Wer ist das schon, dachte Jagger bitter.
    »Du Idiot!«, blaffte Johnny. »Vorher natürlich. Wenn der Komet alles platt gemacht hat, sind wir auch platt. Und wer plattgemacht ist, zieht nirgendwo mehr hin!«
    »Mum und Linda gehen doch mit, oder?« Percy ignorierte seinen etwas altklugen Bruder. Jagger nahm seinen Jüngsten auf den Arm.
    »Aber was denkst du denn?!« Die Frage verwirrte ihn. Wie kommt er auf die Idee, seine Mutter und seine Schwester würden nicht mit uns gehen?
    Spät am Abend fuhren sie durch die City nach Spitalfield. Es war kalt, aber es schneite nicht. Jagger hatte sich Anfang des Monats einen alten Rover 60 gekauft.
    Mit einem Kredit. Es war die letzte Woche gewesen, in der die Banken Kredite ausgegeben hatten. Nachdem die Erkenntnis des wahrscheinlichen Untergangs durchgesickert war, hatten die Geldhäuser erst einmal die Zinsen erhöht, dann Kredite von ihrer Dienstlei- stungsliste gestrichen und dann noch einmal die Zinsen erhöht. Kredite gab es seit drei Wochen nur noch von Wucherern, die auf einen gnädigen Gott spekulierten und Zinsen von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Prozent nahmen.
    Schwer bewaffnete Armeeeinheiten patrouillierten auf den abendlichen Straßen. An den Kreuzungen standen Schützenpanzer. An der Kreuzung Clerkenwell Road, Farringdon Road sogar zwei schwere Kampfpanzer. Aber nirgends größere Massenaufläufe. Die bevorstehenden Festtage hatten die Panik und die Verzweiflung der Massen gedämpft. Und ihre Wut. Sentimentalität war angesagt, Wehmut und Hoffnung. Vermutlich würden die Kirchen voll sein in den kommenden Tagen. Vermutlich würden sich selbst Leute zu Fasten- und

Weitere Kostenlose Bücher