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017 - Blick in die Vergangenheit

017 - Blick in die Vergangenheit

Titel: 017 - Blick in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Sprüche vom Deckkarton der Zigarettenpapiere, die Jagger benutzte. Er trug den Pocket Reader immer bei sich. Und zog ihn über alles, was ihm ei- nigermaßen speicherwürdig erschien.
    Im .DVD-Player lag eine Disc mit Aufzeichnungen von Nachrichtensendungen der letzten Tage, der MicroDisc-Player fütterte den MMP seit einer halben Stunde mit den Greatest Hits der Rolling Stones, der Computer übertrug gerade die Encyclopedia Britannica auf den Multiplex-Medienplayer. Das Gerät konnte synchron Daten von mehreren Datenträgern speichern.
    Nicht nur deswegen hatte Jagger den MMP einem Quantencomputer und auch einem auf Magnetwiderstands-Basis arbeitenden Datenspeicher vorgezogen. Diese Systeme hatten nach seriösen Schätzungen eine Lebensdauer von achtzig bis höchstens hundertfünfzig Jahren. Die synthetischen Kristalle hingegen, auf denen der MMP Daten in Form von Hologrammen speicherte, standen im Ruf, auch mehrere Jahrhunderte überdauern zu können. Außerdem besaß das holografische System eine geradezu unglaubliche Speicherkapazität: Sagenhafte hundertzwanzig Terabytes konnte man auf dem MMP der neuesten Generation ablegen. Aber Jagger würde es kaum schaffen, diese Kapazität auszu- schöpfen. Die Zeit war einfach zu knapp.
    »…sagte ich gerade, meine persönliche Situation sei nicht leichter oder schwerer als die zahlloser anderer Menschen? Das stimmt nur teilweise. Sie ist leichter. Seit ich mich in die Aufgabe verbissen habe. Seit dem zwanzigsten November ganz genau. Das habe ich einer Bemerkung meines Ältesten zu verdanken. An dem Tag, als die Wahrscheinlichkeit, dass der Komet mit der Erde kollidieren wird, auf über achtzig Prozent wuchs, sagte er ungefähr Folgendes: ›Wir haben nur noch drei Monate Zeit, Dad, da muss man gut überlegen, wie man die ver- bringt…‹ Ich habe es mir gut überlegt. Und Sie, wer auch immer Sie sind, der hoffentlich meine Stimme eines Tages hören wird, Sie werden mir zugestehen, dass ich diese verflucht kurze Zeit sinnvoll verbracht habe. In der Datei Biographical Facts finden Sie übrigens ein paar Fotos von mir - nur für den Fall, dass man mir ein Denkmal errichten will…«
    Seit Wochen arbeitete er wie ein Besessener. Seit er der Wahrheit ins Auge geschaut hatte. Aber nicht für die Ausstellung - für die tat er kaum noch etwas. Diese Arbeit hatte er weitgehend seinen Mitarbeitern überlassen, soweit sie nicht gekündigt hatten oder einfach zu Hause geblieben waren.
    Um die Hälfte war sein Mitarbeiterstab geschrumpft. Die Ausländer unter ihnen hatten sich von Heute auf Morgen entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren. Zwei waren einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen. Von einem Assistenten hieß es, er habe sich das Leben genommen. Jagger glaubte nicht, dass nach dem Jahreswechsel überhaupt noch jemand den Weg ins Britische Museum finden würde, um am Ausstellungsprojekt zu arbeiten.
    Jagger arbeitete derweil an einem Projekt, für das ihm keiner einen Auftrag erteilt hatte. Keiner außer ihm selbst.
    Die ersten Tage nach der bitteren Erkenntnis des wahrscheinlichen Endes waren hart gewesen. Jagger hatte sich mit hohem Fieber ins Bett legen müssen, so sehr hatte ihn die Aussicht auf den Untergang erschüttert. Vier Tage im Bett, vier Tage gegrübelt. Dann wusste er, wie er die letzten Wochen verbringen würde. Das Projekt musste Stückwerk bleiben. Viel zu wenig Zeit. Er nannte es »Mehr als nur Spuren im Sand«. Nicht nur die Wochen vor der Kollision mit »Christopher-Floyd« wollte er dokumentarisch festhalten - und wenn das Schicksal ihm günstig gesonnen war, auch die Wochen nach dem Einschlag -sondern auch so viel Gegenwartswissen wie nur irgend möglich. Falls es, Überlebende geben sollte. Überlebende, die noch in der Lage sein würden, Kinder zu zeugen. Deren Nachfahren würden hoffentlich eines fernen Tages die Ruinen des Britischen Museums ausgraben und im Kellergewölbe der British Library auf den Multiplex-Mediaplayer stoßen.
    So leidenschaftlich widmete Jagger sich seit knapp vier Wochen seiner selbstgewählten Aufgabe, dass die endgültige Gewissheit der Kollision ihn kaum noch berührt hatte. Vor zehn Tagen erst hatten die NATO-Regierungen die Nachricht freigegeben: »Christopher-Floyd« würde mit hundertprozentiger Sicherheit die Erde treffen. Am 8. Februar 2012. Die vielen Maßnahmen, die man angekündigt hatte und die seitdem die ersten Seiten der Zeitungen füllten, interessierten ihn nur beiläufig. Er tat seine Arbeit im

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