017 - Invasion der Kyphorer
sein. Allerdings hat es meiner festen Überzeugung nach keinen Sinn, unsere Kräfte zu verzetteln; wir müssen unbedingt gleichzeitig feuern, mit allem, was wir haben.« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Sagen wir: Wenn unsere Konzerne in ihren Stationen auf dem Mond Atomraketen hätten, würden wir sie dann um zwei Uhr morgens Detroiter Zeit gleichzeitig abfeuern?«
Guru Ruang Talok kratzte sich am Kopf. »Sagen wir: Zwei Uhr fünfzehn! Wenn wir welche hätten, was wir natürlich …«
»Natürlich, natürlich«, nickte Fisher, nun doch leicht genervt. Er sah die anderen beiden Konzernchefs an. »Zwei Uhr fünfzehn? In gut drei Stunden?«
Don Harris und Toru Minegishi nickten schweigend.
»Dann ist es so beschlossen: Um zwei Uhr fünfzehn Detroiter Zeit beginnen wir mit der Beschießung des Schirms!«
Dass er damit das Todesurteil über fast alle zwölftausend Menschen, die sich in der Mondstation aufhielten, verhängt hatte, sprach er nicht laut aus – es war den anderen auch so klar.
4.
Montag, 1. Oktober 2063, 23:45 Uhr Detroiter Zeit
Auf dem Mond herrschte Ruhe.
Die Ruhe vor dem Sturm? , fragte sich Haiko Chan, nur um die Frage noch im selben Atemzug zu bejahen.
Er hatte sich mit Don Jaime und Will Henry in das Abfertigungsgebäude des ›Raumhafens‹ zurückgezogen, das am nördlichen Rand der großen Stahlkuppel gelegen war, die die Mondstation bildete. Hier verfügten sie über alle notwendigen Kommunikationsmechanismen und auch Rechenkapazitäten. Der das ehemalige Mechanics-Gebäude umgebende Schutzschirm hatte mittlerweile einen Durchmesser von knapp einhundert Metern erreicht und war zur Ruhe gekommen. Vorher, während seiner Ausdehnungsphase, hatte er mehrere Dutzend Gebäude in Schutt und Asche gelegt. Der Asiate versuchte, nicht an die wahrscheinlich Hunderte von Toten zu denken, die unter den Trümmern begraben sein mussten. Eine Bergung von Überlebenden war sehr problematisch, weil man hier auf dem Mond überhaupt nicht über die erforderlichen Maschinen verfügte.
Ubutu, der ranghöchste Vertreter der UNO auf dem Mond, befand sich ebenfalls in dem geräumigen Büro des Raumhafenleiters, das in aller Hast zur Krisenzentrale umfunktioniert worden war. Chan hatte seit einer Viertelstunde vergeblich versucht, Clint Fisher oder Lino Frascati an den Interkom zu bekommen. Cumbraith Jones hatte ihm versichert, der Konzernchef werde ihn so bald wie möglich zurückrufen.
Endlich kam das Gespräch herein.
»Sie?«, sagte er verblüfft, da ihm von der Vermittlungsstelle der Konzernchef von Mechanics angekündigt worden war.
»Ich!«, nickte Clint Fisher. »Ich bin jetzt der Konzernchef! Es hat hier einige, hm, Umwälzungen gegeben!«
Haiko Chan warf einen Blick auf einen der zahllosen Großbildschirme, auf dem die schimmernde Kuppel abgebildet war – umgeben von einem Wall aus rauchenden Trümmern.
»Hier auch«, antwortete er düster.
Fisher kam ohne Umschweife zur Sache. »Gemeinsam mit den Konzernchefs von Flibo, Dai-mi-su und ›Freie Seelen‹ habe ich beschlossen, das Invasionsnest mit Atomraketen anzugreifen«, eröffnete er. »Der Angriff erfolgt um exakt 2:15 Uhr unserer Zeit.«
Der Überlebensspezialist erbleichte und warf einen Blick auf die Uhr. Neben ihm krallte Ubutu seine Hände in die Lehne des Sessels, hinter dem er stand.
»Das sind ja nur noch zweieinhalb Stunden!«, stieß Chan entsetzt hervor.
»Richtig. Sie wissen wohl genauso gut wie ich, wie sehr die Zeit drängt. Wenn die Kyphorer erst einmal die galaktische Position unseres Sonnensystems festgestellt haben …«
Erregt schob Ubutu den Asiaten beiseite und ergriff mit zitternder Stimme das Wort. »Das können Sie nicht tun! Ein Angriff mit einer einzigen Atomrakete auf den Schutzschirm würde die komplette Mondstation vernichten!«
Ruhig sah Fischer dem UNO-Vertreter in die Augen. »Das ist mir bekannt. Nichtsdestoweniger ist es die einzige Möglichkeit, die wir haben – nicht wahr, Mr. Chan?«
Chan zögerte kurz, dann nickte er schweigend.
»An Ihrer Stelle«, fuhr Fisher an Ubutu gewandt fort, »würde ich also sofort mit der Evakuierung der Station beginnen. Meines Wissens ist die PHAETON startbereit! Außerdem kann ich Ihnen auch im Namen der anderen Konzernchefs mitteilen, dass wir uns entschlossen haben, unsere eigentlich für die Öffentlichkeit gesperrten externen Stationen auf dem Mond für Flüchtlinge freizugeben. Deren gesamte Aufnahmekapazität beschränkt sich allerdings auf etwa
Weitere Kostenlose Bücher