017 - Invasion der Kyphorer
tausend Personen.«
»Tausend Personen!«, ereiferte sich Ubutu. »Ist Ihnen bekannt, dass sich mehr als elftausend Menschen in der Mondstation aufhalten? Außerdem kann ich nicht tausend Personen in zweieinhalb Stunden auf die vier kleineren Stationen verteilen, weil mir dafür die Transportkapazitäten fehlen! Und die PHAETON, die zwar innerhalb dieser Zeit starten könnte, ist für nicht mehr als vierhundert Passagiere zugelassen!«
»Nun, ich denke, wir können angesichts der besonderen Umstände darauf verzichten, die Vorschriften allzu streng auszulegen«, antwortete Fisher mit einem sarkastischen Unterton. »Mit etwas gutem Willen kann der Linienraumer bestimmt die dreifache Menge transportieren!«
»Das hieße immer noch, dass sich mehr als neuntausend Menschen in der Kuppel befänden, wenn Ihre Raketen angreifen!« Ubutu schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein, das kann ich unter keinen Umständen verantworten. Sie müssen Ihr Vorhaben abblasen. Ich werde sofort mit der Generalsekretärin …«
»Mr. Ubutu«, unterbrach ihn Fisher schneidend. »Sie haben mich nicht verstanden: Der Angriff ist beschlossen und wird zur angegebenen Zeit stattfinden! Es geht nicht mehr um die Menschen, die auf dem Mond festsitzen – so bedauerlich das auch ist! Es geht um die Erde! Der Einsatz der Raketen ist die einzige Chance, die uns bleibt! Fragen Sie Mr. Chan; er wird es Ihnen bestätigen! Also hören Sie gefälligst auf zu lamentieren und kümmern Sie sich um die Evakuierung!«
Im nächsten Augenblick wurde der Bildschirm dunkel – Fisher hatte einfach abgeschaltet.
»Das ist …« Ratlos sah der UNO-Vertreter von einem zum anderen. Will Henry wandte sich schweigend ab. Endlich ergriff Chan das Wort.
»Er hat recht«, sagte er leise. »Es ist brutal und man hätte es weiß Gott anders formulieren können, aber es ist die Wahrheit – es geht nicht mehr um den Mond, es geht um die Erde! Zwölf Milliarden Menschen! Was sind dagegen neun- oder zehntausend?« Er zuckte mit den Schultern. »Fisher und die anderen Konzernchefs müssen das bedenken!«
»Und außerdem ist ihnen das Hemd näher als der Rock!«, schnaubte Ubutu in ohnmächtiger Wut. »Ich werde mit der Generalsekretärin sprechen!«
»Tun Sie das – aber bitte geben Sie zuvor die Anweisung, mit der Evakuierung zu beginnen! Jede Sekunde zählt!«
*
Dienstag, 2. Oktober 2063, 1:04 Uhr Detroiter Zeit
War die Evakuierung zunächst noch einigermaßen geordnet angelaufen, so löste sich diese Ordnung mit jeder Minute, die verstrich, weiter auf und das Chaos begann, Einzug zu halten.
Während die wenigen Bodenfahrzeuge, die es auf dem Mond gab, völlig überfüllt zu den externen Raumstationen aufbrachen, wurde der Start der PHAETON auf 2:05 Uhr festgesetzt. Danach wäre es nicht mehr sicher – wenn der Raumer zu spät abhob, bestand die Gefahr, dass er von der zu erwartenden gewaltigen Explosion in Mitleidenschaft gezogen oder gar abstürzen würde.
Vor den Toren des Abfertigungsgebäudes spielten sich dramatische Szenen ab. Tausende von Menschen drängten sich aneinander, schoben und wurden geschoben und es hatte trotz der geringen Schwerkraft bereits die ersten zu Tode Gequetschten und Getrampelten gegeben. George Wolseley, der Leiter des Raumhafens, hatte bewaffnete Polizisten und Wachleute vor dem Gebäude postiert – soweit diese nicht bereits selbst mehr oder weniger offiziell den Dienst quittiert und sich klammheimlich auf den Weg zu dem wartenden Raumschiff gemacht hatten. Denn da der Linienraumer außerhalb der Stahlkuppel stand, war er natürlich nur mit Hilfe von luftdichten Fahrzeugen oder wenigstens Raumanzügen zu erreichen – doch von einigen wenigen Mondbewohnern abgesehen verfügte nur die Verwaltung über Raumanzüge.
»Wie ist die Situation auf der PHAETON?«, fragte Chan den Leiter.
Wolseley warf einen Blick auf eine Liste, die vor ihm lag. »Die regulären Passagiere sind bereits am frühen Abend an Bord gegangen – mit Ausnahme von zweien: Ein gewisser Don Jaime Lopez de Mendoza Tendilla y Ledesma …«
»Das bin ich!«, meldete sich der Spanier, der im Hintergrund stand und, auf seinen Morgenstern gestützt, mit unbewegter Miene das Geschehen auf den Bildschirmen verfolgte.
»… und Sie, Mr. Chan! Insgesamt haben 382 Personen eine Passage gebucht; ich habe mit Kapitän Chandler gesprochen – er meinte, er könnte im Notfall maximal eintausend weitere Menschen befördern. Schließlich ist es ja nur für ein
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