0176 - Schamanen-Terror
Überhaupt - das ganze Dorf war wie ausgestorben. Gerade so, als wage sich nach Anbruch der Abenddämmerung niemand mehr ins Freie.
Nicole fuhr sich mit der Zunge über die trocken werdenden Lippen. Ihre Hand berührte den Zündschlüssel. Sie spielte mit dem Gedanken, Zamorra entgegenzufahren.
Warum geschah bei der Schamanenhütte nichts? Hätte es irgendwelchen Wirbel gegeben, Kampf und Blitz und Donner, wäre sie beruhigt gewesen. Aber diese entsetzliche Ruhe zerrte an ihren Nerven.
Donnernd sprang der Motor an, wurde sofort sanft schnurrend leiser. Der Range Rover setzte sich in Bewegung. Die großen Reifen mahlten über den trockenen Boden.
»Wo ist Zamorra?« fragte Uschi.
Nicole schwieg. Sie starrte angestrengt geradeaus. Langsam näherte der Geländewagen sich der Hütte. Warum geschah dort nichts?
Eine kalte Hand griff nach Nicoles Herz. War Zamorra in eine Falle gelaufen? Sie mußte an den Analog-Zauber denken. Hatte der Schamane auf diese Weise Kontrolle über Zamorra gewonnen, ihn vielleicht getötet?
Plötzlich löste sich eine Gestalt aus den Schatten. Sie war klein und gedrungen. Ein Ur-Australier. Als er näherkam, sah Nicole, daß er sehr alt war. Er kam direkt auf den Wagen zu.
Aber er war allein.
Was mochte er wollen?
***
Nach und nach griff die Verfärbung der Schuppenhaut auf immer mehr Körperpartien über. Die großen Telleraugen Caans waren stumpf geworden. Gleichzeitig stieg ihre Körpertemperatur weiter an. Sie schien zu glühen.
Irgendwann erwachte Chaala. Er zeigte sich über Caans Zustand bestürzt.
»Sie wird von einem Dämon beherrscht«, sagte er. »Andernfalls hätte sie mich niemals angegriffen. Und das Fremde in ihr ist auch der Grund für ihr Sterben.«
Balder Odinsson wandte den Kopf. »Wie ist das möglich?«
»Es ist eine Eigenheit unseres Volkes«, teilte der Kommandant mit. »Wir Chibb ertragen es nicht, von einem fremden Willen beherrscht zu werden. Bei uns ist die Verbindung zwischen Körper und Seele wahrscheinlich weitaus inniger als bei euch Menschen. Schon das, was ihr Hypnose nennt, vermag uns zu zerstören. Wenn der Geist eines Chibb überwältigt wird, vergeht auch sein Körper im gleichen Maße.«
»Und wenn man«, wandte Bill Fleming ein, »so etwas wâe eine Teufelsaustreibung durchführen würde? Wenn man Caan von dem fremden Willen befreite?«
Aus seinen großen Augen sah Chaala den Menschen an.
»Kannst du das?« fragte er.
Bill Fleming schluckte. Er entsann sich an das, was er von Zamorra gelernt hatte. Er war kein Parapsychologe, schon gar nicht ein Magier. Seine Kenntnisse waren äußerst gering. Lediglich seine Freundschaft zu Zamorra hatte ihn eigentlich in dessen Team gebracht, das sich der Bekämpfung des Bösen widmete. Bill wußte und konnte nur das, was er während der verschiedenen Abenteuer von Zamorra gelernt hatte. Sonderlich viel an magischen Dingen war es nicht gerade. Bill war eher der Mann, der mit beiden Fäusten zupacken konnte, der planen und organisieren konnte und stille Vorbereitungsarbeit leistete. Der Praktiker in Sachen Magie war Zamorra.
»Ich kann es versuchen«, sagte er. »Aber ich kann nicht dafür garantieren, daß es mir gelingt.«
Chaala verzog seinen lippenlosen Mund zu einem eigenartigen Lächeln.
»Versuche es. Wir sollten nach jedem Strohhalm greifen, wie ihr Menschen sagt. Obwohl es zweifelhaft ist, daß es für Caan noch eine Rettung gibt. Der Verfall ist schon weit fortgeschritten. Es kann sein, daß es bereits zu spät ist.«
Bill nickte.
»Dann dürfen wir keine Sekunde mehr verlieren«, sagte er.
Chaala schwankte zwischen Hoffen und Resignieren, das erkannte er. Und in dem Moment, in dem Bill zusagte, leuchtete es in den Augen des Kommandanten auf.
Chaala liebte Caan, das begriff Bill spätestens jetzt. Und in ihm war die Hoffnung aufgeflammt, daß Bill Caan noch retten konnte.
Bill Fleming glaubte vor einem Abgrund zu stehen Wenn er versagte, würde er zwei Leben zerstören - Caan und Chaala! Demi Chaala würde den Tod der Geliebten nicht ertragen!
***
Zamorra blieb vor der unsichtbaren Wand stehen. Er entsann sich der Bewegung, mit der der Schamane einen Kreis um die Lehmpuppe gezogen hatte. Es war der Moment gewesen, in welchem er die magische Wand aufbaute.
Zamorra registrierte, daß der dünne magische Schutzfilm noch immer um seinen Körper lag. Aber offenbar spielte das für die Magie des Zauberers keine Rolle. Auch nicht, daß Zamorra seine Puppe mit den beiden anderen an sich
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